Zum Wochenende wurde im Frankfurter Museum Angewandte Kunst in glanzvoller Atmosphäre die Preisverleihung der »Schönsten Deutschen Bücher« abgehalten. Unter den 25 ausgezeichneten Titeln ragte eines ganz besonders heraus: »Shell Reader«, gestaltet vom Canell / Watkins Studio, gewann den begehrten Preis der Stiftung Buchkunst. Der Berliner Kunstbuchverlag BOM DIA BOM TARDE BOA NOITE durfte sich über 10.000 Euro Preisgeld freuen.
Perlmutt und Textil
In Zeiten, in denen digitale Medien oft im Vordergrund stehen, erinnert die jährliche Auszeichnung der »25 Schönsten Deutschen Bücher« durch die Stiftung Buchkunst an den Wert und die Ästhetik besonderer Druckobjekte. Auch die diesjährigen Preisträger:innen bewiesen mit ihren Werken eindrucksvoll, dass das Buch als Kunstform immer wieder aufs Neue faszinieren kann. Aus insgesamt 603 Einsendungen und den schließlich 25 ausgezeichneten Büchern wählte zuletzt eine fünfköpfige Jury den Gewinner des Preises der Stiftung Buchkunst, der mit 10.000 dotiert ist.
Das von der Berlinischen Galerie in Auftrag gegebene Buch »Shell Reader« wurde zur beeindruckende Installation »Muscle Memory« der schwedischen Künstlerin Nina Canell veröffentlicht, die aus mehreren Tonnen Muscheln besteht. »Die Arbeit zielt darauf, ein haptisches Verständnis dafür zu erschließen, wie eng einige unserer allgegenwärtigen Baustoffe wie Beton, Sand oder sogar Glas mit der Biomineralisation zusammenhängen«, sagt die Künstlerin zu ihrer sprichwörtlich vielschichten Installation.
Auch das Buch selbst ist ein Kunstwerk, es wirkt gar wie eine Verlängerung von Canells Arbeit und nicht zuletzt der Architektur der Berlinischen Galerie. Die angefrästen Blattkanten erinnern an die Haptik von Muscheln ebenso wie das perlmuttschimmernden Vorsatzpapier; die Seiten wirken wie Textil und entführen Leser:innen in eine Welt der Sinnlichkeit und Ästhetik.
Insgesamt präsentiert das Buch gut 300 ganzseitige Nahaufnahmen von Muschelfragmenten, die wie Portraits wirken; skelettierte Mollusken, die Betrachter:innen in ihren Bann ziehen und die harte Schutzhülle der weichen Meerestiere in den Fokus rücken. Umgesetzt wurde es von Manuel Raeder und Elena Malzew vom Berliner Kunstbuchverlag BOM DIA BOA TARDE BOA NOITE, die Gestaltung verantwortete der Grafiker Robin Watkins.
Die Jury war sich einig, dass die unheimlich stimmige Gesamtkonzeption, das Zusammenspiel von edlen, nachhaltigen Papieren und die Liebe zum Detail besonders gewürdigt werden sollten. Umso mehr vielleicht in einer schnelllebigen, chaotischen Zeit wie der Coronapandemie, die der Ausstellung vorausging, und uns auf ganz neue Weise mit der Rauheit der Natur konfrontierte – sowie auch unserem Platz in ihr.
Platz für eigene Gedanken
Die Preisverleihung selbst war ein festlicher Höhepunkt, bei dem Carolin Blöink, interimistische Leiterin der Stiftung Buchkunst, und Joachim Unseld, Verleger der Frankfurter Verlagsanstalt und Vorstandsvorsitzender der Stiftung, den Preis überreichten.
»Papier hat eine besondere Qualität und Haptik. Druck auf Papier überdauert nicht nur Jahrhunderte, die stabile Materialität des Papiers bietet eine Projektionsfläche für eigene Gedanken. Lesen wir also auf Papier.«
Joachim Unseld, Vorstandsvorsitzender Stiftung Buchkunst
Dieser Hommage an den Werkstoff Papier und die Lust auf eigene Gedanken kann sich auch unsere stellvertretende Chefredakteurin nur anschließen, die als Teil der Jury die Laudatio halten durfte. »›Shell Reader‹ kann als eine Einladung gelesen werden, sich im wahrsten Sinne des Wortes Zugang zu verschaffen, der haptischen, olfaktorischen, visuellen und nicht zuletzt akustischen Spur zu folgen, die das Buch einem legt«, so Sonja Pham. »Sich der sprichwörtlichen Belastung bewusst zu werden, die wir Menschen für unsere Umwelt sind. Aber auch Raum in ihr zu finden. Zeit in ihr zu verbringen. Dialoge zu halten mit Vertreter:innen der Kunst gleichwohl wie der Wissenschaft.«
Neben dem »Preis der Stiftung Buchkunst« wurden auch die Gewinner:innen des »Förderpreises für junge Buchgestaltung« geehrt. Dieser Preis zeichnet innovative Ideen und Entwicklungen im Bereich der Buchgestaltung aus. Die Preisträger erhielten jeweils 2.000 Euro für ihre wegweisenden Werke. Ausgezeichnet wurden Anna Wank (»Entblößen & Verdecken«), Shinichiro Shiraishi mit Enno Pötschke (»Samsara«) sowie Carlota Barberán Madruga (»Willkommen«).
Die prämierten Bücher werden nun auf Wanderausstellung gehen und an verschiedenen Orten im In- und Ausland gezeigt – eine großartige Gelegenheit für Buchliebhaber:innen, diese Meisterwerke der Buchkunst hautnah zu erleben. Der Katalog mit allen Preisträger:innen der »Schönsten Deutschen Bücher 2023«, entstanden im Hause Parat.CC, kann ab sofort unter der ISBN bestellt werden.
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