Vom Entwurf zur Website, von der Skizze zur Illustration, vom Prompt zur App – mit den neuen Produkten Sites, Make, Draw und Buzz erweitert Figma seine Plattform deutlich. Die Präsentation auf der diesjährigen Config zeigte: Figma entwickelt nicht nur Funktionen weiter, sondern denkt Software im Kontext eines gesamten Ökosystems neu. Wie können – und müssen! – Designtools in einem kreativen Arbeitsumfeld funktionieren, das zunehmend nonlinear, kollaborativ und komplex wird? Auf diesem Hintergrund wurde die Konferenz, auch durch vielfältige Keynotes zu Design, Technologie und allem dazwischen, vor allem zu einem: einer Liebeserklärung ans Handwerk.

»Die Zukunft der Wirtschaft ist auch die Zukunft des Designs«
Die Plattform, die einst als niederschwelliges browserbasiertes UI-Tool begann, wird zunehmend zum Allround-Betriebssystem für kollaboratives Gestalten. Mit der jüngsten Produktoffensive auf der Londoner Config 2025 zeigt Figma, dass Designprozesse nicht nur effizienter, sondern auch freier und vielseitiger werden können – besonders für interdisziplinäre Teams, wie sie unserer Leser:innen heute führen oder begleiten. Die Keynote von Dylan Field, CEO von Figma, gab den Ton vor: Es ging nicht um kleine Verbesserungen. Es ging darum, einen Schritt in die Zukunft der Arbeit, der Kreativität und der Wirtschaft selbst zu machen. »Die Zukunft der Wirtschaft ist auch die Zukunft des Designs«, erklärte Field. »Wir möchten, dass Figma ein Ort ist, an dem Ideen zu Produkten werden, an dem hohe Standards und exzellentes Handwerk auf einer vernetzten Plattform zusammenkommen.«
Field betonte, dass über zwei Drittel der Figma-User keine Designer:innen seien, zudem ist ein Großteil aller Nutzer:innen außerhalb der USA, rund 40% in Europa. Die Plattform reagiert darauf mit einer verstärkten Lokalisierung und einer globaleren kulturellen Ausrichtung – »die Kultur und Geschichte des Designs sind tief in Europa verwurzelt«, merkte er an, zitierte etwa Jan Tschichold’s wegweisende Entwürfe und gab damit den Ton an – und zeitgenössisches, modulares Gestalten als konsequente Fortführung relevanter Designtraditionen begreift.

Eine Idee, vier neue Tools
Chief Product Officer Yuhki Yamashita beschrieb die neuen Angebote von Figma als eine vollständige End-to-End-Lösung: von der Ideenfindung über die Abstimmung bis hin zur Umsetzung und zum Storytelling.
Figma Sites: Vom Entwurf ins Netz – direkt aus der Gestaltung
Für viele Designerinnen war Figma bislang der Ort, an dem Screens und Komponenten entstehen. Mit Sites erweitert sich dieser Raum nun um den finalen Schritt: die Veröffentlichung. Was früher Webentwicklerinnen übergeben oder via Dritttools umgesetzt werden musste, kann jetzt direkt in Figma geschehen – mit responsiven Layouts, Code-Komponenten und sogar KI-generierten Interaktionen. Ideal für Agenturen, Studios oder Einzelpersonen, die Design und Umsetzung aus einer Hand denken wollen.

Figma Make: Ideen in Code gießen – ohne Entwicklungsabteilung
Mit Make kommt ein KI-Tool, das aus Textbeschreibungen funktionierende Prototypen generiert. Ob App-Konzept, Microtool oder interaktive Präsentation – ein einfacher Prompt reicht aus, um einen Entwurf zu visualisieren – und dann iterativ von Hand zu verfeinern. Wie Product Manager Holly Li es ausdrückte: »KI ist nur bis zu einem gewissen Grad hilfreich. Ihr als Gestalter:innen seid leistungsfähiger.«

Figma Draw: Raum für illustrative Ausdruckskraft
Wer bisher für Vektorillustrationen in andere Programme ausweichen musste, darf sich freuen: Draw bringt neue Werkzeuge für freiere Pfadbearbeitung, dynamische Pinsel, Texturen und Textpfade direkt in die Designumgebung. Besonders spannend für Editorial-Designer:innen, Illustrator:innen oder auch sonst alle Kreative, die mit visuellem Storytelling arbeiten und dabei eine ausdrucksstärkere, analog inspirierte Bildsprache bevorzugen, etwa strukturierte Farbverläufe oder Unschärfe.

Figma Buzz: Marketing Assets mit System
Buzz richtet sich an alle, die regelmäßig visuelle Assets produzieren – ob im Content-Team, im Branding oder in der Unternehmenskommunikation. Designvorlagen können definiert, mit KI variiert und in großem Stil ausgerollt werden – etwa für Social-Media-Kampagnen oder Promotion-Materialien. Die Stärke: kreative Präzision bei maximaler Wiederverwendbarkeit, dabei sollen auch Nicht-Designer:innen mit flexiblen Vorlagen vereinfachen.

Figmas Plattform wächst – und mit ihr die Erwartungen
Der rote Faden bei allen Neuheiten? Eine einheitliche Erfahrung, bei der alle Akteur:innen – ob Designer:in oder nicht – ohne Reibungsverluste von der Idee zur Umsetzung gelangen kann. Yamashita betonte, dass es die Mission von Figma sei, »nicht nur Pixel zu verschieben, sondern Ideen voranzubringen«. Deutlich wird, dass Figma sich nicht mehr als einzelnes Tool, sondern als end-to-end Plattform versteht – und bringt damit vieles unter ein Dach, was vormals über mehrere Softwarelösungen verteilt war. Was User:innen gerne auch skeptisch sehen, wie sich in Gesprächen mit Config-Besucher:innen zeigt – ob es Figma gelingt, nahbar und community-orientiert Feedback einzuarbeiten oder »das neue Adobe werde, das später wieder von einem Underdog abgelöst wird«, wie ein Gestalter spekuliert, wolle man abwarten. Doch allgemein ist Begeisterung zu spüren: Für die designorientierte Praxis bedeuten die Neuheiten schließlich: mehr Ausdruck, mehr Output, weniger Brüche. Eine Einladung, digitale Gestaltung nicht nur funktional, sondern auch kreativer, effizienter und zugänglicher zu denken.
Design im Zeitalter der KI menschlicher gestalten
Gesunder Menschenverstand, kritische Einordnung und ganzheitlichere Betrachtung der Tech-Welt zog sich auch durch die Vorträge: UX Writer Ningfei Ou forderte etwa die Design-Community auf, sich gegen die Einheitlichkeit, »the sea of sameness« zu wehren und sich der Post-Nudge- und Post-UX-Skepsis anzuschließen. »Viele Reflexe bleiben uns von klein auf erhalten«, sagte er und plädierte für emotionale Spezifität und sprachliche Nuancen: »Die Sprache ist unendlich vielfältig.«
Gary Hustwit schloss die Veranstaltung im Gespräch mit Figma’s VP of Design, Noah Levin, mit einer filmischen Perspektive auf Design und Storytelling: »Wenn ihr von etwas besessen seid, das es nicht gibt, gibt es wahrscheinlich jemanden, der es auch will. Kreiert etwas, von dem ihr euch wünscht, dass es existiert!«
Seine Worte unterstrichen ein übergeordnetes Thema, das sich durch die gesamte Config London zog: gutes Design ist nicht nur eine Frage von Systemen und Stilrichtlinien. Es geht immer auch um Urheberschaft, das Hinterfragen von Absichten –und eine Menge gesundert Neugier.


Mehr zu Figma’s Produktneuheiten hier im Blogartikel von CEO Dylan Field
Mit Yuhki Yamashita und Dylan Field sprachen wir auch für die Ausgabe 04.22 »Editorial« für unseren Fokus Kollaboration, hier bestellen
Gary Hustwit und sein Buch »The New York Subway Map Debate« haben wir in unserer Ausgabe 06.21 »Information Design« vorgestellt, hier bestellen
Mehr zu seinem Film über Brian Eno hier auf seiner Website nachlesen