Sich vorzeitig mit den jährlich prämierten schönsten Büchern zu beschäftigen, das gehört zugegebenermaßen zu den besten Seiten unseres Jobs. Pun intended! Wir zeigen Ihnen die von der Stiftung Buchkunst ausgelobten Siegerwerke aus allen Kategorien und unsere persönlichen Favoriten.
Wie schon im vergangenen Jahr musste die hochkarätige Fachjury unter strengen Hygienemaßnahmen tagen, doch das tat den guten Laune keinen Abbruch. »Trotz Maskierung und Distanz kam sich die Jury in offenen Diskussionen gedanklich immer näher und konnte am Ende eine großartige Auswahl treffen«, erzählt Katharina Hesse, die Geschäftsführerin der Stiftung Buchkunst. »Auch 2021 zeigen nun 25 Schönste Deutsche Bücher die gesamte Bandbreite guter Gestaltung und deren Beitrag zur Vermittlung spannender Inhalte.«
Die Jury setzt sich aus drei Teams zusammen. Sie wird jährlich vom Vorstand der Stiftung Buchkunst berufen und trifft ihre Entscheidung nach ausgiebiger Diskussion mittels Abstimmung. In diesem Jahr trat unter anderem unsere langjährige Korrespondentin Sylvia Lerch an, die regelmäßig für uns über spannende Buchpublikationen und Printproduktionen schreibt. Auch die Expertise unserer Fachkollegin Julia Kahl von Slanted Publishers schätzen wir sehr. Alle weiteren Jurymitglieder können Sie hier transparent einsehen.
In der Rubrik »Allgemeine Literatur«, so wie in den folgenden Sparten, wurden fünf Bücher prämiert: »Überfahrt« vom Leipziger Verlag Spector Books durfte sich über einen Preis freuen, die Jury lobte besonders den fadengehefteten Buchblock, der so in den Umschlag eingehängt ist, dass er dank eines hohlen Rückens nicht brechen kann: »Die Klarsichtfolie des Schutzumschlages dient als Metapher für die dünne Membran zwischen Mensch und Wetter auf hoher See.«
Weitere Auszeichnungen nahmen das kleine Büchlein »Aufgriffe« mit einem Symposiumsbeitrag zur Frage nach der Verbindung von Kultur und Wirtschaft und »The Cost of Living« von Deborah Levy mit nach Hause, das feinsinnig von Erik Spiekermann illustriert wurde. Auch der von uns sehr geschätzte Indie-Verlag starfruit publications durfte sich freuen: Der Titel »Ich will doch immer nur kriegen was ich haben will« bekam einen Preis. Begründet unter anderem mit der stimmungsvollen Sensibilität einer »zierlichen Schrifttype, deren Ecken an einigen Stellen gekappt und deren Serifen fein gerundet sind«. Sie ergänzt grobkörnigen Fotogafien von Juliane Liebert in der Publikation. Beim Preis, den Charlie Kaufmanns »Ameisig« (erschienen bei Carl Hanser) erhielt, wurde besonders der mehrfarbige, dreiseitige Farbschnitt erwähnt.
In der Rubrik der wissenschaftlichen Publikationen wurde das Schweizer Verlagshaus Park Books mit »Avantgarde as Method«, erneut Spector Books mit »Exploriso. Low-tech Fine Art«, Ruby Press mit ihrem Titel »Migrant Marseille: Architectures of Social Segregation and Urban Inclusivity«, der Berliner Verlag Galiani mit »Welt der Renaissance« sowie zuletzt »Edges of a Wired Nation« von Lars Müller Publishers ausgezeichnet. Letzteres beeindruckt durch besonders kühle Aufgeräumtheit des Layouts, das sich dem Inhalt bestens anschmiegt. »Fünf Fotoessays auf glänzendem Bilderdruckpapier werden den luftigen, rauen Textpapieren zwischengeschaltet. Wie durch das Periskop eines U-Bootes bestaunt man eine geheimnisvolle Welt.« Das Buch betrachtet das oft ominös wirkende Universum der Big Data und Clouds. Beeindruckend geschrieben und umgesetzt!
Auch in der Rubrik der Sachbücher geht es so zu: beeindruckend. Besonders was die Bandbreite angeht. Inhaltlich treffen Erdöl auf Frauen im Brennpunkt bürgerlicher Moral, das Kochbuch eines japanischen Bildhauers auf die Kinderlandverschickung im Allgäu. Optisch und produktionstechnisch könnten die Siegerbücher ebenso nicht weiter auseinander liegen: Etwa die grafische Konzeption von »Das Neue Alphabet« zeigt eine spielerische Herangehensweise an eine sonst oft schnöde Umsetzung von Sammelbändern. »Grob gesagt handelt es sich um Klebebroschuren mit amerikanischem Schutzumschlag. Genau genommen entfalten sich die Umschläge zu schillernden Tableaus«, argumentiert die Jury. Auch hier glänzte Spector Books aus Leipzig, wir ziehen den Hut.
Die Rubrik »Kunstbücher, Fotobücher, Ausstellungskataloge« versammelt den Zürcher Verlag Scheidegger & Spiess mit den Titeln »Emma Kunz Cosmos« sowie »Umgeben von Kunst«, und Hatje Canz aus Berlin mit »Rodin / Arp«, das besonders durch seine anspruchsvoll ausgeleuchteten Fotografien besticht. Weiters nehmen der Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König (»Inagawa Cemetery Chapel and Vistor Centre designed by David Chipperfield«), und – überrascht es noch? – Spector Books (»NASA Apollo 11 — Man on the Moon«) einen Preis mit heim. Die Leipziger liefern hier gewissermaßen eine Dokumentation der Dokumentation der legendären Mondlandung ab: »Die Astronauten selbst dokumentierten ihren Flug und den lunaren Aufenthalt mit einer Hasselblad-Kamera.«
Heimlicher Favorit unserer Redaktion in der Sparte »Kinder- und Jugendbücher« müsste nach einem wenig mobilen Jahr das Werk »Die großen Flüsse der Welt« sein. Majästetisch illustriert von Martin Haake präsentieren sich im Großformat eines Folianten die Landkarten von Donau, Mississippi, Kongo und Mekong. Doch auch der kleine Liebeskummer-Ratgeber von Illustratorin Lucia Zamolo, erschienen im Bohem Verlag (»Elefant auf der Brust«) glänzt ob des traurigen Themas: »Während der Bildtext die Fakten zum Broken-Heart-Syndrom in Alltagssprache referiert, verzaubern nur wenige Linien die Illustration eines Herzens in die Allegorie des Herzschmerzes«, so die Jury. Nicht ganz so viel Herzschmerz bei »Sonnige Grüße aus Ziffernhausen«, dem sechs Meter langen Leporello, Schrägstrich Wimmelbuch von Tom Eigenhufe. Oder das exquisite Gute-Nacht-Buch aus dem mairisch Verlag, »Schlafen wie die Rüben«. Erst auf den zweiten Blick offenbart »Wo kommt unser Essen her?«, wie viel Recherche diesem leichtfüßigen Kinderbuch zugrunde liegen muss. Illustrative und informative Bildwerte geben einander die Hand, das didaktische Ausmaß von Konzept und Bildkomposition sind enorm. Ein wichtiger Beitrag zur Klimadebatte, und alles schön deskriptiv gehalten statt moralisierend mit dem Zeigefinger anzukommen.
Mit der Rubrik »Förderpreis« geht es dem Ende zu, auch wenn Sie sich selbstverständlich bei weiterem Interesse die Shortlist zu Gemüte führen können. Der Titel »Zwischen Euphrat und Tigris« stammt von Virginie Calvet und Felix Hunger wird von der Jury als »erstaunliche Betrachtung über die Sinnlosigkeit des Krieges« beschrieben. Die Künstlerinnen Alissa Verj und Suki Su haben mit ihrem Kompendium »Culture Switch: Russland und China treffen Deutschland /Culture Switch: Russia and China meet Germany« eine umfassende ikonografische Schnittmenge zweier Welten geschaffen, die chinesische und die russische. Zuletzt gewann das metaphorisch wie gestalterisch vielschichtige Taschenbuch »Eine Sammlung zu Margaret Atwoods The Handmaid’s Tale«, das Kristina Hilse im Eigenverlag herausbrachte. Für Fans der Serie oder des Romans, aber auch des aufwendigen Buchgestaltens: »Das, was sich an Lesephantasien sonst nur im Kopf ereignet, wird nun gewissermaßen als Metatext sichtbar.«
An dieser Stelle weisen wir gerne noch auf weiterführende Events und Online-Vorträge hin, die den jungen Buchgestalter:innen eine Bühne geben. Alle Termine sind auf der Website der Stiftung Buchkunst einzusehen.