Analphabetismus hat viele Facetten. Er reicht von kulturellen, psychosozialen bis bildungsbedingten Defiziten und kann sich in mangelhaften Lese- und Schreibkenntnissen oder völligem Unvermögen in den Disziplinen äußern. Die Grafikdesignerin Nina Krug hat sich in ihrer Bachelorarbeit mit den Herausforderungen funktionaler Analphabet:innen beschäftigt, die zwar einzelne Sätze lesen oder schreiben können, nicht jedoch zusammenhängend.
Was ist funktionaler Analphabetismus?
Ausgangspunkt war eine erschreckende Zahl: In Deutschland kann eine von acht Personen nicht ausreichend lesen. Und so beschäftigt sich die Arbeit im Grunde mit Teilhabe an der Gesellschaft: Menschen mit mangelnden Fähigkeiten beim Lesen und Schreiben haben oft Schwierigkeiten, am sozialen Leben teilzuhaben.
Um die komplexen Aspekte von funktionalem Analphabetismus aufzuschlüsseln und für die Tragweite der Problematik zu sensibilisieren, konzipierte Nina Krug ihr Buch mit zwei Teilen: Ein Wissensteil erläutert Zahlen und Fakten, ein Erzählteil wiederum dient dazu, sich konkret in die Lage von Betroffenen hineinversetzen zu können: »Von allne Mecnshn auf der Weilt muste es ausegercnhte mir paissreen. Ich wieß nithc, wamur oder wan geuna es so weti gekonmem ist. Und acuh nitch wie – ich habe nihtc den Hahcu eienr Anhung. Ich wieß nur, dass ich andrse bin«, steht da, um das sogenannte Alpha Level 3 zu erklären. Damit werden Menschen eingestuft, die »häufige Wörter auf Anhieb und mit einigen Anläufen längere, zusammengesetzte Wörter sowie Sätze lesen können. Schwierigkeiten haben sie jedoch bei längeren Texten.«
Die Folgen fehlender Schriftsprachkenntnisse
Infografiken gehen auf geografische Beobachtungen ein, Historisches und erstaunliche Zusammenhänge, etwa mit der Weltwirtschaft: »Im Jahr 2012 hat der weltweite Analphabetismus für einen BIP-Verlust von 1,3 Billionen US-Dollar gesorgt. Damit sind die Auswirkungen von fehlenden Schriftsprachkenntnissen auf das BIP größer als die des Klimawandels.«
Ebenso untersucht Krug, ob es Tendenzen gibt: Kann man typische Analphabet:innen erkennen? Sie beschreibt Vorurteile, mit denen sie zu kämpfen haben, aber auch wie kreativ viele mit ihren Defiziten umgehen, um sie auszugleichen und nicht aufzufallen. In einem eigenen Kapitel geht sie schließlich auf das Leseverhalten von funktionalen Analphabet:innen ein: Wie werden Formen eines Buchstabens identifiziert? Womit haben leseschwache Kinder besonders zu kämpfen? Wie funktioniert das »innere Lexikon«, mithilfe dessen sich bereits bekannte Wortbilder abrufen lassen?
Helfen ist nicht schwer
Die Arbeit schließt mit einem Selbsttest – und Hinweisen, wie Vertrauenspersonen Hilfestellung leisten können, wenn sich Betroffene ihnen öffnen, etwa mit einem Hinweis auf die anonyme Telefonhotline ALFA. »Jeder einzelne kann seinen Beitrag leisten«, schreibt Nina Krug im Schlusswort. »Selbst wenn das nur bedeutet, sich nicht mehr über Rechtschreibfehler lustig zu machen. Das ist schließlich nicht besonders schwer.«
Hier geht’s zum Portfolio von Nina Krug
Mehr zur Arbeit »Einer von acht«