Im jüngst eröffneten X-D-E-P-O-T, einem Schaudepot der Neuen Sammlung München, gingen Studierende des Masterstudiengangs Advanced Design der Hochschule München ans Werk: Mit dem hehren Ziel, das demokratische Potenzial von Design zu enthüllen, hoben sie einzelne Objekte und Schlüsselthemen der Demokratie hervor. Ein sehenswerter Beitrag zur Debatte!
Aufbruch der Hierarchien
Ein absoluter Wow-Effekt: Im zweiten Untergeschoss des Westflügels der Pinakothek der Moderne tut sich seit diesem September mit dem X-D-E-P-O-T ein beeindruckender Raum auf. Die 600 Quadratmeter große Fläche war ursprünglich als Schaudepot vorgesehen und konnte bis dato – entgegen seiner ursprünglichen Planung – noch nicht mit den restlichen Räumlichkeiten eröffnet werden. Endlich jedoch kam man von Seiten des Museums dazu, eine ausgesprochen vielfältige Auswahl an Objekten zu kuratieren. Sie bricht mit den üblichen Konventionen: Schon der Name X-D-E-P-O-T suggeriert ein eigenwilliges Koordinatensystem und verrät, dass hier nach anderen Kriterien sortiert wurde. Nach in sich geschlossenen Themen sind die Exponate vertikal in die Regalfächer eingeräumt. »In einer Art räumlicher Matrix werden die Ausstellungsobjekte nach inhaltlichen und ästhetisch-formalen Kriterien geordnet und der Regalanlage eingeschrieben«, heißt es auf der Website. »So können unterschiedliche Beziehungen der Objekte in der Horizontalen und in der Vertikalen hergestellt werden.« Hier ein Material, da eine Designkategorie, dort eine Epoche, drüben eine Farbe: Es wird bewusst eine neue Sichtweise ermöglicht und auf den Stühlen in der Mitte sogar zum Platznehmen eingeladen.
Demokratisches Potenzial
Apropos Platz und Teilhabe: Mit ihrer Intervention heben elf Studierende des Masters Advanced Design in der Ausstellung einzelne Entwürfe hervor, die sie unter einem erweiterten Demokratieverständnis unterschiedlich deuten. Besonders wurden Objekte ausgewählt, die sie für besonders relevant im Hinblick auf aktuelle gesellschaftliche Ereignisse und Entwicklungen einstufen. Ob rosa Bohrmaschine oder Black-Lives-Matter-Flagge: Die Gegenstände werden in den Kontext gebracht und bezüglich ihrer Rolle in der demokratischen Gesellschaft untersucht.
Auch in unserer aktuellen Ausgabe kommt der Masterstudiengang der Hochschule München zur Sprache; die Grafikdesignerin Eva Leonhard, die das Layout des Magazins enorm mitverantwortet, erzählte von ihrer Zeit dort: »Im Master waren wir ein ganz diverses Team aus Designer:innen, Architekt:innen oder Künstler:innen und stellten uns gemeinsam die Frage: Welchen Einfluss haben wir mit unserem Tun?« Anders ausgedrückt und im Kontext einer politischen Diskussion betrachtet: Wie kann Design die Facetten der Demokratie beleuchten, erklären und letztlich den Betrachter:innen schmackhaft machen?
Spuren hinterlassen
Ausgewählt wurde etwa die aufblasbare Plastik-Giraffe von Libuše Niklová, die wegen ihrer Erschwinglichkeit für die breite Masse zugänglich war. Die – im Vergleich zu natürlichen Materialen – kostengünstige Alternative Kunststoff verkörpert deswegen demokratisches Design, weil es nicht nur eine kaufkräftige Zielgruppe anspricht, sondern für alle gleichermaßen gedacht war.
Auch der Stromgenerator IGNIS des deutschen Industriedesigners Tobias Trübenbacher ist exponiert. »Demokratisches Design sorgt für Chancengleichheit«, heißt es im Erklärtext. Da der Generator Wärme in Strom umwandeln und so die Teilhabe am modernen Leben möglich mache, leiste er einen Beitrag für globale Probleme. Damit ist Trübenbacher ein Lösungsvorschlag zum massiven Mangel moderner Energieversorgung für eine Vielzahl an Menschen gelungen.
Das Mobiltelefon Nokia 8110 revolutionierte die Kommunikation und half, Menschen zu verbinden. Der Einhandteller von Marie Ruddeck beweist, dass demokratisches Design sich auch an kleine Zielgruppen richtet, etwa Menschen mit einer besonderen Behinderung. Die ausgewählten Beispiele zeigen, wie breit sich das Thema denken lässt. Doch nicht nur kategorisieren die Studierenden einige Objekte der Sammlung, sie fügen auch diejenigen hinzu, die ihrer Meinung nach vor allem der jüngeren Generation wichtig wären. Und einen ganz besonderen Programmpunkt hatten sie beim Live-Event am 26. Juli noch parat: Freiwillige Besucher:innen konnten sich per Losverfahren für ein Tattoo anmelden, das jeweils einen der gewählten Objekte abbildete. Dieses wurde vor Ort von einem professionellen Tätowierer entsprechend appliziert. Als sichtbare Spur, die das Verständnis für demokratisches Designs (hoffentlich) bei vielen dauerhaft hinterlässt.
Teilhabe, Gleichberechtigung und Toleranz
Auch wir vom Grafikmagazin setzen uns mit den unterschiedlichen Potenzialen und Handlungsspielräumen von Design auseinander. Design kann erklären, reflektieren und überzeugen, es kann aber auch Zukunftsvisionen möglich machen und innovative Lösungen für die Gesellschaft anbieten. Wenn Designer:innen eine klare Haltung einnehmen und sich mit den demokratischen Werten identifizieren, kann sich unser soziales Miteinander nachhaltig verbessern.
Diese Auffassung spiegelt sich nicht zuletzt auch in den Objekten selbst: Man habe, so beschreibt es die Kuratorin Gabriele Nollert, bei den Neuanwerbungen auch bewusst auf eine bessere Frauenquote geachtet. Darüber hinaus zeigen die Ausstellungstücke demokratische Werte wie Gleichberechtigung, Zugänglichkeit, Teilhabe und Toleranz. Doch auch die Restriktionen der jeweiligen Entstehungszeit spielen eine Rolle, ähnlich wie das auch Friedrich von Borries mit seiner Ausstellung »Politics of Design. Design of Politics« anstieß. Auch das gehört zur wesentlichen Aufgabe eines Designmuseums: Nicht nur eine intensive Auseinandersetzung mit den Gegenständen möglich machen, sondern auch aktiv reflektieren, inwiefern Design die Strukturen unserer Gesellaschaft beeinflusst.
Hier zum Webauftritt des X-D-E-P-O-T in der Münchner Pinakothek der Moderne
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