»Ein Buch in der Farbe von Milchschnee, eingeschlagen im Einband aus ungestrichenem Papier birgt Risiken, zumal in der Küche, wo ein Tropfen Petersilien-Püree ebenso unauslöschlich Spuren hinterlassen kann wie eine Prise Karottenpulver«, heißt es in den Fußnoten dieser Publikation. Ein Buch also, das sich dem Kochen nicht nur mit Praxistipps für das bloße Handwerk, sondern als sinnliches Vergnügen nähert, als opulent-visuelles Erlebnis einer kulturellen Praxis: in dieser Mixtur liegt die außergewöhnliche Kraft von »Kulturtechnik Kochen«. Als reflektierte Inszenierung vereint das Werk aus dem Schwabe Verlag zahlreiche Essays, Rezepte und Fotografie von Christian Werner zu einem vielschichtigen Gesamtkunstwerk.

Auf kulinarischer Spurensuche
Herausgegeben wurde das Buch vom Medienwissenschaftler Markus Krajewski, der gemeinsam mit der Künstlerin und Köchin Margaretha Jüngling sowie dem Fotografen Christian Werner auf eine historische Spurensuche ging: »Der Auftrag: Alimentäre Augenlust«, wie es im Einführungskapitel heißt.
Ihre Reise führt sie in vier Etappen von der Schweiz bis nach Süditalien, wo sie ein barockes Schauessen bei Neapel rekonstruieren – nicht museal, sondern als poetisch-präzise Neudeutung. Die Rezepte, insgesamt 18 an der Zahl, sind inspiriert von historischen Quellen, aber stets mit einem zeitgenössischen Blick interpretiert. Jüngling gelingt es, kulinarische Vergangenheit greifbar zu machen, ohne in Nostalgie zu verfallen. Ergänzt wird das durch Krajewskis kluge Essays, die das Kochen als eine Kulturtechnik beschreiben – als Praxis der Wiederholung, der Verwandlung und der Repräsentation.


Akademisches Kochbuch mit Finesse
Dass dieses Buch aber nicht nur inhaltlich überzeugt, sondern auch gestalterisch neue Maßstäbe setzt, hat die Stiftung Buchkunst kürzlich auch offiziell gewürdigt: »Kulturtechnik Kochen« wurde als eines der »Schönsten Deutschen Bücher« ausgezeichnet. Die Begründung der Jury lobt unter anderem die formale Strenge und typografische Klarheit, die dem Buch eine bemerkenswerte Ruhe verleiht – trotz aller visuellen Üppigkeit. Besonders hervorzuheben sind die fein austarierte Typografie, etwa auch auf dem Cover, auf dem die Serifenschrift mit aufkaschierter Fotokarte kombiniert wird, aber auch das großformatige Layout mit großzügigem Weißraum sowie die besondere Materialität. »Wenn der Verlag von einem ›akademischen Kochbuch‹ spricht, pflichtet man ihm gerne bei, obwohl dies die offensichtliche Freude an der Buchgestaltung unterschlägt: So überrascht der Band mit einer historischen Abbildung auf dem Vorsatz sowie einem witzig inszenierten Nachsatz als modernes Pendant«, so heißt es in der Jurybegründung.

Alimentäre Augenlust
»Bild für Bild, Bissen für Bissen, footnote für footnote«: Verantwortlich für die Gestaltung ist Jörg Schwertfeger, unterstützt von Mario Naegele – ein Duo, dem es gelingt, historische Referenzen und zeitgenössische Buchkunst souverän miteinander zu verbinden. Die Fotografien von Christian Werner, der die Gerichte in dunklen, fast schon malerischen Bildkompositionen einfängt, verstärken den Eindruck, es hier nicht mit einem klassischen Kochbuch zu tun zu haben, sondern mit einer künstlerischen Reflexion über das Sehen, Begehren und Repräsentieren.
»Kulturtechnik Kochen« ist somit ein seltenes Beispiel für ein Buch, das gleichermaßen inhaltlich, gestalterisch und haptisch überzeugt – ein Werk, das zeigt, was möglich ist, wenn unterschiedliche Disziplinen mit höchstem Anspruch zusammenkommen. Für alle, die sich für Buchgestaltung, Kulturgeschichte und die sinnliche Dimension des Essens interessieren, ist dieses Buch ein Fest. Und natürlich kommt auch der tatsächliche Genuss nicht zu kurz: von Rezepten wie »Lauch-Bohnen-Shiitake Ragout« bis zu den toskanischen »Zucchetti, Mandeln und Minze« ist für jeden Geschmack was dabei …

Bestellen Sie hier »Kulturtechnik Kochen« auf der Verlagswebsite von Schwabe
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Die Website von Grafikdesigner Jörg Schwertfeger finden Sie hier
Über die Sommerferien stellen wir auf der Grafikmagazin-Website ausgewählte Titel aus der Liste der »Schönsten Deutschen Bücher 2025« vor – Bücher, die Maßstäbe setzen, Diskussionen anregen und die gestalterische Vielfalt des Mediums feiern. Hier können Sie alle Titel auf der Website der Stiftung Buchkunst entdecken.
