Eigentlich hätte es ihn gar nicht geben dürfen, denn wer will schon etwas über einen eher uncoolen Teenager lesen und noch die Geschichte mit der Spinne. Als Stan Lee 1962 zum ersten Mal die Idee von Spider-Man vorstellte, waren alle skeptisch, aber er bekam eine Chance und erfand damit einen der populärsten Superhelden überhaupt. Nun ist im Taschen Verlag ein 698 Seiten starker Band erschienen, der auch ihn Sachen Buchgestaltung ganz großes Kino ist.
Peter Parker lebte im uncoolen Queens, hatte Geldsorgen und Familienprobleme und in der Liebe wollte es auch nicht klappen. Wer möchte schon solche Geschichten lesen? Das fragte berechtigterweise auch Stan Lees Chef Martin Goodman, ausserdem waren Comic-Helden Anfang der 1960er-Jahre gestandene Männer und keine schmächtigen Teenager. Trotzdem bekam Lee eine Chance und durfte seinen unwahrscheinlichen Helden in Amazing Fantasy ausprobieren. Die Serie sollte sowieso eingestellt werden.
Doch dann schoss die Reihe mit Spider-Man auf dem Cover an die Spitze der Marvel-Bestsellerliste des Jahres. Stan Lee hatte einen neuen Typus des Superhelden geschaffen und mit Miterfinder und Zeichner Steve Ditko auch genau den richtigen Partner gefunden, um Spider-Man unglaublich cool aussehen zu lassen. Ditkos großartige Szenerien und Perspektiven vermitteln Wendigkeit, Höhe und Tempo so unmittelbar, man hat fast das Gefühl, selbst am seidenen Faden durch die Straßenschluchten von Manhattan zu schwingen. Auch die Welt von Teenagern konnte Steve Ditko sehr authentisch nachempfinden, denn selbst als Spider-Man gelingt Peter Parker längst nicht alles.
Der schwergewichtige Band »The Marvel Comics Library. Spider-Man. Vol. 1. 1962–1964« lässt Spider-Man nun wieder auferstehen, so wie er sich in den ersten 21 Geschichten präsentierte. Und das ist wörtlich zu nehmen, denn die Comics wurden nicht, wie sonst üblich nachkoloriert. In Zusammenarbeit mit Marvel und der Certified Guaranty Company wurden die makellosesten Comics aufgeschlagen und für die Reproduktion abfotografiert. Jede Seite wurde so fotografiert, wie sie vor mehr als einem halben Jahrhundert gedruckt wurde, und dann mit modernen Retuschetechniken digital überarbeitet, um die Fehler des billigen, unvollkommenen Drucks der damaligen Zeit zu korrigieren – so, als käme sie frisch aus einer erstklassigen Druckmaschine der 1960er Jahre.
Für Sammler ist dieser Band also ein Fest, auch, weil er annähernd so groß ist, wie die Originalhefte. Doch man muss kein Spider-Man-Nerd sein, um an diesem Buch Gefallen zu finden. Blaue Doppelseiten, Klapper und natürlich tolle Zeichnungen, außerdem erfährt man einiges zu den Schöpfern, Hintergrundinfos und viel rund um die Geschichte dieses legendären Comics. Und tatsächlich macht es auch viel Spass, in die Originalgeschichten einzutauchen und sich auf Zeitreise zu begeben.
The Marvel Comics Library. Spider-Man. Vol. 1. 1962–1964
David Mandel, Ralph Macchio
Taschen Verlag
Hardcover, 28 x 39,5 cm, 4,83 kg, 698 Seiten
Text in Englisch
150 Euro
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