In seine Entwürfe integriert der Modedesigner Jiaen Cai prägende Einflüsse aus seiner Kindheit in China und lässt sich außerdem viel von Architektur und Produktdesign inspirieren. Passend hierzu wurde das kulturaffine Designstudio Daily Dialogue mit der Fashion Identity für sein Label JE CAI beauftragt. Das Ergebnis ist ein visuelles Spannungsfeld, in dem exzellent umgesetzte, präzise Designelemente mit komplexen Codes und Liebe zur Technik aufeinandertreffen.
Mode mit komplexer Identität
Das Designstudio Daily Dialogue agiert seit seiner Gründung 2015 im Kontext von Design, Entwicklung und Kultur. Neben freien, kreativen Kooperationsprojekten mit Künster:innen oder Musiker:innen hat sich das Team in der Auftragsarbeit besonders auf Art Direction, Markenidentitäten sowie Printpublikationen spezialisiert. Dass es dabei gerne mal die Grenzen des Möglichen und Üblichen sprengt, zeigt auch die umfangreiche Gestaltung des jungen Labels JE CAI.
Schon für sich genommen lehnt es die Normen der Modewelt ab, definiert sich als experimentell und rebellisch. Der Modedesigner Jiaen Cai machte seinen Bachelor am London College of Fashion sowie einen Master am Royal College of Art, danach arbeitete er für Namen wie Alexander Wang, Claire Barrow, Mattew Miller oder Xander Zhou, bevor er JE CAI gründete.
»JE CAI hat uns per Email kontaktiert. Fashion Identities sind – neben Publikationen, Websiten und Projekten im Musik-Kultur-Bereich – ein großer Teil unserer Arbeit und wir merken, dass auch viele Anfragen in dieser Richtung kommen«, erzählt Maximilian Schachtner, Gründer und Creative Director von Daily Dialogue. An dem Projekt arbeitete er mit seinem gesamten Team.
Zwischen Uniformität und Individualität
Die Kleidungsstücke werden einzeln als Auftragsarbeiten hergestellt, also im Made-to-Order-Modell, das einen nachhaltigen Ansatz verfolgt und Abfälle drastisch reduziert. Die hochwertigen Stoffe stammen aus Italien und Japan stammen und werden direkt in London verarbeitet. Kunden können ihre Bestellungen personalisieren, indem sie verschiedene Formen und Stoffmuster auswählen. Maximilian Schachtner erklärt: »JE CAI hat ein System entwickelt, bei dem sich die einzelnen Teile der Kleidungsstücke individualisieren lassen. Alles baut auf Systems (1), Basics (10), Components (100) und Extra Components (1000) auf.« Dieser Ansatz basiere auf der Idee hinter dem Kurzfilm »Powers of Ten« vom legendären Designerpaar Charles und Ray Eames. Darin wird eine Reise zwischen den sogenannten Quasaren und Quarks beschrieben, also den jeweils größten und winzigsten Strukturen innerhalb der Forschung. »Powers of Ten« arbeitet sich an der Größenstruktur 10 ab und zeigt eindrücklich das gebräuchliche Ordnungssystem unserer Wissenschaft auf.
Die Identität von JE CAI sollte nicht nur Ordnung schaffen, sondern auch ein Spannungsfeld von Uniformität und Individualität aufmachen, so Maximilian Schachtner. »Wir waren am Anfang hauptsächlich damit beschäftigt, das System funktional zu gestalten, haben die Produktcodes entwickelt und daraus hat sich dann ein Gestaltungssystem entwickelt: Die 1 (System), die immer über allem steht – oft in der linken oberen Ecke – und die Teilung des Formats in vier Teile (1, 10, 100, 1000), die sich aber auch in der Abstufung von Grautönen ausdrücken kann, also 100%, 75%, und so weiter.« In der Folge entstand eine technoide, funktionale Ästhetik, die trotz ihrer Reduziertheit mit spannenden Details arbeitet.
Jeder nach eigenen Regeln
»Der generelle Look & Feel definiert sich aus dem Inhalt heraus – ist also automatisch sehr technisch. Vor allem die Grafiken, zur Darstellung des Systems tragen dazu bei. Auch Logo und Monogram stellen das zugrundeliegende System deutlich dar«, sagt der Creative Director. Dass ihm und seinem Team die Fashion Branche zusagt, liege vor allem an der Vielseitigkeit, die sich dort biete: »Die Modewelt ist ein sehr spannendes Feld in Bezug auf Grafikdesign. Es ist oft sehr viel freier und hat irgendwie seine eigenen Regeln. Ich hab das Gefühl, da wird nicht so sehr auf Tradition geschaut.«
Besonders die etwas älteren Entwürfe hätten es Maximilian Schachtner angetan: »Frühe Sachen von Margiela, Helmut Lang oder Comme des Garçons sind total interessant. Spannend ist da vor allem, dass es oft weg von der Mode geht und sich in freien Projekten ausdrückt. Oder neuere Sachen wie Our Legacy sind super, die machen das ja auch total viel. Ganz freie Sachen mit ihrer Workshopsparte.«
Chaos und Ordnung
Ein so umfangreiches Projekt, das neben der visuellen Identität auch um die Gestaltung der Website, einem Custom Font sowie eigenem Produktcodesystem verlangte, schien auf diesem Hintergrund für Daily Dialogue wie gemacht. Mit einer gewissen Unberechenbarkeit zieht sich das Thema des modernen Paradoxons durch das Konzept, in dem Uniformität und Individualität koexistieren. Dabei liegt die Idee zugrunde, mit verschiedenen Kompenten unbegrenzte Iterationen möglich zu machen. Es wirkt auf den Betrachter ein bisschen wie ein Musikstück, das sich in stets neuen Tonlagen wiederholt, in dem sich klare Räume, typografische Codes, ein komplexes Logo und Monogramm stets aufeinander abstimmen und neue Bezüge herstellen.
Um es mit einem Filmzitat von Charles Eames zu sagen:
„Eventually, everything connects.“
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Hier geht’s zur Podcastfolge mit Maximilian Schachtner von Ohne Den Hype