Ist Design in der Lage, eine andere, bessere Welt zu schaffen, jenseits von Innovationsdruck? Welche Lösungen bietet die Designtheorie hierfür an? Im aktuellen Heft stellen wir Ihnen die Gestalterin Sarah Dorkenwald und die Designtheoretikerin Karianne Fogelberg vor, die in ihrer gemeinsamen Praxis als UnDesignUnit das Selbstverständnis innerhalb der Designpraxis hinterfragen. In ihren Projekten, oft interdisziplinär und in Kooperation mit anderen Akteur:innen und Institutionen, möchten sie neue Spielräume ausloten, die es für die Zukunft des Designs braucht. Pardon, für die Zukünfte: Dorkenwald und Fogelberg sprechen mit Vorliebe darüber, dass es unterschiedliche Entwürfe geben muss, die unsere Fantasie anregen und Transformation durch Design ermöglichen.
Sarah und Karianne, ihr wart beide für die Zeitschrift form tätig, wenn auch nicht zeitgleich, und habt euch darüber kennengelernt. Wenn man merkt, dass es nicht nur berufliche Gemeinsamkeiten, sondern auch Sympathien gibt, dann fällt oft der Satz: »Wir müssen mal was zusammen machen!« Was war bei euch der Auslöser, dass ihr Projekte gemeinsam initiiert habt?
Sarah: Unsere erste Zusammenarbeit als UnDesinUnit war für das neue Naturkundemuseum Biotopia in München, das gerade im Aufbau ist. Mit einem jährlichen Festival möchte das Gründungsteam zukünftige Inhalte des Museums thematisieren und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. Wir wurden 2018 und 2019 beauftragt, es jeweils mit einem thematischen Schwerpunkt zu kuratieren. Mit experimentellen, spielerischen, sinnlichen und partizipativen Formaten haben wir die Besucher:innen für diese Entwicklungen des 21. Jahrhunderts wie zum Beispiel biologisch abbaubare oder synthetische Materialien an der Schnittstelle zur Biotechnologie, aber auch zur Mode sensibilisiert.
Ist das üblich für eine Museumsplanung, so weit auszuholen und in der Entstehungsphase sogar ein sorgfältig kuratiertes Festival zu planen?
Sarah: In diesem Fall schon, weil es noch so lange hin ist, bis das Museum eröffnet wird. DasTeam möchte sichtbar machen, woran es arbeitet und die zukünftigen Besucher:innen frühzeitig abholen.
Karianne: Biotopia möchte das dualistische Denken überwinden, das den Menschen auf der einen und die Natur auf der anderen Seite als getrennte Entitäten sieht. Das ist ein sehr zeitgemäßer Ansatz in aktuellen wissenschaftlichen Diskursen, aber auch in den Künsten und im Design. Dieser für viele naturwissenschaftliche Museen noch relativ neue, eigenständige Weg muss vermittelt werden. Im Namen »Biotopia« steckt das auch schon drin: Er ist zwar angelehnt an Utopie, gleichzeitig erhebt er den Anspruch, die ökologischen Zusammenhänge und Wechselwirkungen stärker in den Blick zu rücken. Auch deswegen ist die Zusammenarbeit mit uns zustande gekommen ist: Wir arbeiten interdisziplinär und mit Gestaltung als Methode, mit der sich Vermittlungsformate konzipieren lassen. Es ist Bestandteil unseres Kuratierens, nicht nur Vertreter:innen unterschiedlicher Disziplinen einzuladen, sondern auch Formate zu entwickeln, die sehr komplexe Inhalte in verschiedenen Registern anschaulich werden lassen und aktuelle Forschung mit Design, Kunst oder Architektur zusammenbringen.
Ihr arbeitet lokal mit verschiedenen Institutionen. Habt ihr das das Gefühl, dass München ein besonderer Standort ist?
Sarah: München bietet viele Möglichkeiten. Es gibt viele Unternehmen, Stiftungen, Institutionen und Forschungseinrichtungen, die dafür offen sind, Projekte im Kontext von Gestaltung und Kultur an den Schnittstellen Wissenschaft und Forschung zu fördern. Wir hatten bisher das Glück, dass sich für uns in München relativ viel ergeben hat, wie das Biotopia-Museum, oder die Munich Creative Business Week (MCBW). Wir haben mit der Neuen Sammlung gearbeitet und mit den Kammerspielen kooperiert. Jetzt wurden wir gerade vom Netzwerk Klimaherbst beauftragt, ihre Auftaktveranstaltung mit einer Spekulativen Dinner Performance umzusetzen und wir haben für den städtischen Kunstraum Lothringer 13 das »Archiv der subjektiven Erinnerungen« entwickelt und umgesetzt.
Karianne: Das war ein sehr schönes Projekt, unter anderem deswegen, weil Sarah und ich dadurch auch die Möglichkeit hatten, uns als Nicht-Münchnerinnen, die aber schon viele Jahre hier leben, mit der jüngeren Stadtgeschichte und insbesondere mit dem Stadtteil Haidhausen zu befassen. Dabei haben wir mit Methoden der Oral History, also der gesprochenen Geschichtserzählung, subjektive Erinnerungen zusammenzutragen. Es war sehr reizvoll, mit Akteur:innen aus vier Jahrzehnten über so unterschiedliche Fragen zu sprechen wie: Was kann ein städtischer Kunstraum leisten? Was waren die Rahmenbedingungen, aber auch die Wünsche und Visionen, die in so einen Raum projiziert werden? Was kann man daraus für die Gegenwart und Zukunft ableiten?
Mit wie vielen Personen habt ihr gesprochen?
Sarah: Wir haben zehn Interviews geführt, wir sprachen mit Dr. Michael Meuer, dem ehemaligen Abteilungsleiter Bildende Kunst im Kulturreferat der Stadt München, der den Ort als Künstlerwerkstatt ins Leben rief; den Kurator:innen Courtenay Smith und Uli Aigner, künstlerische Positionen wie Anna McCarthy und Wolfgang Flatz sind vertreten. Wir haben aber auch mit Bernd Bayerl, Mitbegründer und -betreiber des legendären Café Größenwahn im Nachbarhaus gesprochen. Es gab in all den Jahren immer wieder neue Definitionen, was diese Räume sein können, über den Ausstellungsraum hinaus. Es hat sich auch eine richtige Subkultur entwickelt. Das Schöne an der Lothringer13 ist, dass sie immer wieder als Carte Blanche neu definiert wird, jedes Mal, wenn es einen Wechsel der Kurator:innen gibt, was Teil des Konzeptes ist.
Karianne: Im Rahmen der aktuell entstehenden Verstetigung, für die wir vom Kulturreferat und dem kuratorischen Team der Lothringer13 um Lisa Britzger und Luzi Gross beauftragt wurden, sollen die Zeitzeug:innen-Gespräche dort auch weiterhin anzuhören und Leihgaben dauerhaft zugänglich sein. Dabei erhebt das »Archiv der subjektiven Erinnerungen«, wie es bereits im Titel anklingt, nicht den Anspruch auf Vollständigkeit…
Sarah: …die Idee ist vielmehr, dass es wachsen kann. Dass man Strukturen schafft, innerhalb derer sich das Archiv weiterentwickeln kann. Das Narrativ der vergangenen vierzig Jahre muss auch nicht chronologisch erzählt werden. Wir hatten während der Ausstellung auch ein Empfangsbüro. Die Idee war, dass im Grunde jeder, der noch irgendwelche Erinnerungen hat, sie sozusagen »vorbeibringen« kann, und wir sie dort archivieren.
Der Aspekt Raum für Kreative ist einer, der sich stark durch unsere Rubrik Design & Research zieht. Auch bei euch fällt mir auf, dass eure Praxis immer in irgendeiner Form mit den jeweiligen Räumen korreliert und entsprechend unterschiedlich funktioniert. Ihr schreibt selbst, ihr interessiert euch für die »Grenzbereiche und neuen Freiräume« des Designs. Könnt ihr das kurz umreißen?
Sarah: Es geht uns um den Raum im übertragenen oder erweiterten Sinne, also auch den Denkraum, den wir mit unseren Formaten stimulieren möchten. Dabei versuchen wir, mit den Mitteln des Designs Formate zu konzipieren, die bestimmte gesellschaftlich relevante Themen greifbar machen. Das kann die Frage sein, wie Drohnen zukünftig unseren Alltag und Lebensraum bestimmen werden, was wir dann in einem Future Making Lab im interdisziplinären Austausch untersuchen, oder, wie bei der Auftaktveranstaltung für den Klimaherbst, die Frage, wie wir uns in Zukunft ernähren werden, ein ebenso wichtiges und nicht einfach zu beantwortendes Thema. Mit der »Spekulativen Dinner Performance« wollten wir ein Erlebnis schaffen, das eine Auseinandersetzung mit dem Klimawandel ermöglicht, ohne dass es abstrakt bleibt, und gleichzeitig nicht im Dystopischen verharrt, sondern Handlungsmöglichkeiten eröffnet. Unser Wunsch ist, positive Erlebnisse zu gestalten und für verschiedene Alternativen zu sensibilisieren, um komplexe Themen multiperspektivisch zugänglich zu machen und zu zeigen, inwieweit wir unsere Zukunft mitverhandeln können. Zum Beispiel stellt die Spekulative Dinner Performance die Frage nach dem Superfood der Dürre. Dieses könnte nicht nur uns Menschen zugute kommen, sondern auch Insekten und anderen Lebewesen sowie den Boden begünstigen. Gleichzeitig muss es mit den sich verändernden klimatischen Bedingungen zurecht kommen.
Karianne: Manchmal wird die Frage an uns gerichtet, mit welchem Designbegriff wir eigentlich arbeiten. Bei einer solchen Dinner Performance ist ja zunächst mal nicht offensichtlich, welche Rolle die Gestaltung hier spielt. Das steckt auch in unserem Namen UnDesignUnit. Die erste Spekulativen Dinner Performance an den Kammerspielen, die wir noch vor unserer Studiogründung gemeinsam konzipiert und realisiert haben, hieß deswegen auch »Undesign«. Wir wollten damit transportieren, dass es uns mit diesem spekulativen Format nicht in erster Linie darum geht, Dinge im konventionellen Sinne zu gestalten und zu erschaffen. Stattdessen wollen wir zunächst die Frage stellen, wie man bestimmte Strukturen, aber auch Handlungs- und Denkweisen hinterfragen und dekonstruieren, oder gewissermaßen »ent-stalten«, und darüber neue Erkenntnisse gewinnen kann. Es geht darum, wie sich durch Gestaltung eine Transformation herbeiführen lässt. Bei der Dinner Performance arbeiten wir mit narrativen Mitteln, die auch nicht unmittelbar als eine Form von Gestaltung wahrgenommen werden. Wir ersinnen Szenarien und haben mit Christine Krauss von ChirpFood im interdisziplinären Austausch dazu passende Zutaten eruiert: Wie kann man ein spekulatives Zukunftsszenario wie zum Beispiel »Steigende Meeresspiegel« oder »Extremwetterereignisse« nicht nur mit narrativen Mitteln erzählen, sondern auch mithilfe eines Menüs, seinen Zutaten und Zubereitungsformen, und darüber eine Zukunftsperspektive eröffnen? Insofern transportieren die Menüs grundlegende Ideen und Fragestellungen…
Sarah: Eine deutlich gestaltete Komponente waren unsere »Matrixkarten«, mit denen sich die Teilnehmenden nach der Verköstigung der drei Menüs befasst haben. Die Karten widmen sich je einer Zutat aus den Menüs, zum Beispiel Quinoa, Lupinen oder Schwäbischen Alblinsen, Kartoffeln oder Wassermelonenrindenkimchi, die entsprechend mit Eigenschaften, die im Kontext der klimatischen Veränderung von Bedeutung sind, verschlagwortet sind. Anhand dieser Karten konnten die Teilnehmenden bestimmte Fragen beantworten, etwa, auf was sie verzichten oder wovon sie mehr essen möchten, und so ihr eigenes Zukunftsmenü kreieren. Das hat sehr gut funktioniert, zum einen als visuelles Bild ist, zum anderen, um sich persönlich damit zu beschäftigen. Es ist partizipativ, aber auch sehr spielerisch. Es zeigt, dass es nicht eine Antwort, sondern ein Spektrum an Möglichkeiten gibt.
In der Redaktion sprechen wir oft darüber, dass es nicht ersetzbar ist, alle Sinne anzusprechen, wenn es um Design geht. Dass ihr mit dieser Fähigkeit spielt, ist aber sicherlich etwas, was ihr in Bezug auf eure Projekte öfter erklären müsst, oder?
Sarah: Es reicht nicht, die Gestaltung unserer Lebenswelt nur auf einer rationalen, wissenschaftlichen oder technischen Ebene anzugehen. Wir arbeiten mit Designmethoden, um mögliche Zukünfte zu veranschaulichen und mit allen Sinnen erfahrbar zu machen. Die dadurch angestoßene Auseinandersetzung mit bestimmten gesellschaftlichen Themen oder auch technologischen Entwicklungen soll ermutigen, sich kritisch und selbstbestimmt der Frage zu widmen, wie wir in Zukunft leben wollen.
Karianne: Eine weitere Dimension unserer Arbeit ist der Bereich der Wissenschaftskommunikation. Zum einen interessieren wir uns dafür, wie Gestaltung Transformation begleiten kann: Wie macht man komplexe Inhalte zugänglich und kann daraus Handlungsansätze ableiten? Beispielhaft hierfür ist die bereits erwähnte Spekulative Dinner Performance oder auch unser Future Making Lab. Das ist ein partizipatives Workshop-Format, bei dem die Teilnehmenden in kleinen, interdisziplinären Gruppen gegenwärtige Zukunftsentwürfe wie technologiegestützte Konzepte zur Versorgung im Alter oder zum autonomen Fahren im Hinblick auf ihre unterschiedlichen Auswirkungen erforschen und hinterfragen und mit den Mitteln des spekulativen Designs und anhand von Skizzen und Modellbau alternative Zukünfte entwerfen. Es ist eine Kernkompetenz von Design, Dinge anschaulich machen zu können. Außerdem fasziniert uns, wie man Design als Medium in der Wissenschaftskommunikation einsetzen kann – gerade im Hinblick auf die sehr komplexen Herausforderungen, die sich uns mit dem Klimawandel, der Transformation von Städten oder der fortschreitenden Digitalisierung stellen. Zu all dem wird wahnsinnig viel geforscht, es gibt viele Erkenntnisse, aber oftmals bemerken wir diese Kluft zwischen Wissensproduktion einerseits und Kommunikation andererseits, und dass eher selten in zugänglicher Art und Weise veranschaulicht wird, was das denn tatsächlich für uns beinhaltet. Damit arbeiten wir auch.
Ist eure Erfahrung, dass in den verantwortlichen Positionen ein Bewusstsein dafür vorhanden ist, welche große Rolle Design spielen kann?
Karianne: Ja, hier wird zum Teil auch schon mit spekulativen Designmethoden gearbeitet, etwa bei der am Fraunhofer Gesellschaft – ähnlich wie bei uns auch, nur, dass wir als Studio selbständig arbeiten und uns hierfür gezielt Auftraggeber suchen. Dabei geht es nicht nur darum, dass man eine bestimmte Zukunft veranschaulichen kann, sondern verschiedene Zukünfte. Ohne die üblichen Festlegungen und in einer spielerischen Form kann ermittelt werden, welche Zukünfte nicht nur machbar sind, sondern auch wünschenswert.
Würdet ihr sagen, dass ihr optimistisch in die Zukunft blickt?
Sarah: Ja, würde ich schon sagen. Als Kreativschaffende schaue ich immer positiv in die Zukunft, denn irgendeine Lösung, denke ich mir, wird sich schon finden. Karianne und ich sind ständig am Produzieren von Gedanken, Ideen, Konzepten, Formaten. Und im Zusammenschluss mit anderen können wir diese vorantreiben und umsetzen.
Karianne: Ja, denn wir sind insbesondere an den Handlungspotenzialen interessiert, die wir haben, aber die wir vielleicht noch gar nicht nutzen. Bei der Dinner Performance sind zum Beispiel einige auf uns zugekommen und meinten: So schlimm ist die Zukunft ja gar nicht … zumindest schmeckt sie gut! (lacht) Wir haben uns bewusst für ein Szenario entschieden, das nicht alle völlig hoffnungslos zurücklässt, sondern konkrete, greifbare Visionen eröffnet. Unser Handlungs- und Designansatz basiert auf einem grundlegenden Optimismus.
Im Hinblick auf unsere gemeinsamen Projekte würde ich gerne noch über eure ganz konkreten Handlungsschritte sprechen. Solche Abende wie die Spekulative Dinner Performance stehen ja ganz am Ende einer Reise, und euer Alltag ist Voraussetzung dafür. Wie sieht euer Alltag als Theoretikerinnen, als Forscherinnen bzw. Gestalterinnen aus? Habt ihr eine Routine, die ihr verfolgt?
Karianne: Wir haben einen Jour fixe, an dem wir unsere Termine legen, damit man sich innerhalb der Woche an gewisse feste Arbeitszeiten halten kann. Das ist ein Mittel, um unsere unterschiedlichen Arbeitsbereiche und Terminkalender in Einklang zu bringen.
Sarah: Wir haben ein gemeinsames Büro an der Isar, also einen Ort, an dem wir uns treffen können, manchmal arbeiten wir auch nur remote zusammen. Ich brauche es, dass der Rahmen nicht zu starr ist, damit es fließen kann. Manchmal haben wir aber auch Zeiten, in denen viel zu tun ist, zuletzt hatten wir zum Beispiel drei Dinner Performances nacheinander, danach braucht es auch wieder Zeiten zum Durchatmen und Reflektieren, damit Neues entstehen kann.
Wie sieht es bei euch mit Ruhephasen aus? Wenn man soviel Output hat, wie ihr beide – woher holt man sich dann seinen Input?
Karianne: Ich lese wahnsinnig viel, weil ich schon immer eine große Affinität zu Text und Schrift hatte, und selbst auch schreibe. Ich lese aber gar nicht immer designspezifische Dinge, meine Inspirationen kommen ebenso aus designfremden Kontexten. Ich habe viele Jahre hier an der Kunstakademie an einem interdisziplinären Lehrprogramm gearbeitet und mich immer dafür interessiert, Fragestellungen aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Das war damals der Grund, warum ich vom Designjournalismus in die wissenschaftliche Arbeit zurückgewechselt bin, weil ich von dem Bedürfnis angetrieben war, Antworten auf die Fragen zu suchen, die sich mir stellten, und denen ich im Rahmen des Designjournalismus mit seiner kurz getakteten Veröffentlichungsfrequenz gar nicht so nachgehen konnte. In diesem Jahr habe ich zum Beispiel ein Überraschungsabo von einer Berliner Buchhandlung abgeschlossen. Da kommt einmal im Monat ein Independent Magazine aus völlig unterschiedlichen Bereichen und das Zufallsprinzip sorgt für ganz unterschiedliche Leseerlebnisse. Unter den bisherigen Ausgaben war beispielsweise eine Zeitschrift, die aus vielen verschiedenen kulturhistorischen, künstlerischen und naturwissenschaftlichen Perspektiven dem Saatgut gewidmet war, weitere Hefte beschäftigten sich mit der Kulturgeschichte des Teppichs oder zeitgenössischem Tanz. Andere Spektren also, die ich sehr spannend finde. Ansonsten lese ich aber auch Tages- und Wochenzeitungen, Literatur, und vieles mehr…
Sarah: Ich würde gar nicht unbedingt von Ruhephasen sprechen. Eher von Produktions- und Inspirationsphasen. In Phasen, wo wir intensiv an Projekten arbeiten, haben wir ausgiebige Recherchephasen, wo wir natürlich inhaltlich tief in ein Thema einsteigen. Dadurch lese ich viel Fachspezifisches. Aber ich schreibe auch, wie etwa für das Nomad Magazine. Text, Schrift und Literatur haben für mich einen sehr hohen Stellenwert. Ich habe viele Bücher als Designerin gestaltet. Das ist ein tolles und wichtiges Medium. Natürlich habe ich ganz klassisch ein großes Bücherregal mit vielen Büchern zuhause, und liebe es, dort ab und an etwas wiederzuentdecken. Mich begeistert es, Informationen einfach in die Hand nehmen zu können.
Eine Frage, die ich gern abschließend stelle: Wenn ihr nochmal neu anfangen und euch ganz abseits für einen anderen Beruf entscheiden müsstet, welcher wäre das?
Sarah: Ich find’s wunderbar wie es ist. (lacht) Vielleicht würde ich gerne nochmal Design studieren, aber einen anderen Weg einschlagen, zum Beispiel stärker in die Designforschung gehen. Vielleicht auch Produktdesign. Ein anderer großer Traum von mir war schon immer, einen Roman zu schreiben, aber das kann ich ja immer noch machen. (lacht) Das ist ja eigentlich das Spannende, dass das Leben nach wie vor wandelbar ist und bis zum Ende offen bleibt.
Karianne. Ich weiß nicht, ob ich da für uns beide sprechen kann, aber ich definiere mich gar nicht so sehr über die Disziplin als viel mehr über die Tätigkeit. Wir haben das Privileg, dass wir in vielen Facetten an der Schnittstelle zum Design tätig sein dürfen und können. Es ist ja nicht nur so, dass Design Gesellschaft gestaltet. Auch die Gesellschaft formt die Denkweisen und Praktiken des Designs, da besteht also eine Wechselwirkung. Ich hatte die Gelegenheit, mich immer in die Bereiche bewegen zu können, wo mich meine Interessen hingetrieben haben: Vom Designjournalismus wieder stärker in das wissenschaftliche Arbeiten, in die Forschung und in die Lehre, und dann über UnDesignUnit erneut in die Anwendung. Diese Rückkopplung ist uns bei UnDesignUnit auch ganz wichtig. Denn natürlich kann man sich dieses Wissen aneignen, aber was macht man am Ende damit? Kann man damit eine vermittelnde Rolle einnehmen? Design als Wissenschaftskommunikation, zur Transformation, oder als Mittel der Spekulation – ich bin eigentlich sehr zufrieden, weil ich dies nie als Festlegung empfunden habe, sondern als etwas, mit dem man sehr frei arbeiten kann.
Sarah: Vielleicht lässt sich hier noch ergänzen, dass wir zwar vorwiegend zu zweit arbeiten, uns aber auch als Kollektiv verstehen. Deswegen haben wir dem UnDesign ein UNIT angefügt. Je nach Aufgabe können weitere Units in der Zusammenarbeit entstehen. Aber schon alleine unsere Zusammenarbeit ist sehr bereichernd, dadurch dass wir aus verschiedenen Kontexten kommen und manches unterschiedlich betrachten, beziehungsweise jede von uns ihre Stärken hat. Das, sowie die verschiedenen Inhalte und Konstellationen der Zusammenarbeit macht unsere Arbeit unheimlich vielfältig und abwechslungsreich. Das finde ich wunderbar.
Interview: Sonja Pham
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