Als wir Designstudierende suchten, die wir für den Fokus »Design Education« in unserer Ausgabe 01.23 interviewen könnten, schrieb die Kommunikationsdesignerin Sophia Weider: »Hey, meine Bachelorarbeit war ein Lehrkonzept zum selbstständigen Arbeiten. So habe ich einen Kurs mit alternativen Lehrmethoden und Workshops an der HAW in Hamburg gestartet und wollte die Lehre neu denken. Passt das Thema zum Artikel?« Und ob! Das wollten wir uns natürlich näher ansehen. Und waren begeistert: Ihre Thesis »Du brennst es« verfolgt das Ziel, selbstständiges Arbeiten, aktives Machen und Selbstverantwortung eigener Projekte zu fördern.
Lehre neu denken
An der HAW Hamburg experimentierte Sophia Weider also 19 Wochen lang mit Studierenden mit Lehrmethoden, Kreativtechniken und Workshops. Doch wie kam sie überhaupt darauf? »Während meines Bachelors stellte ich mir die Frage, was man heutzutage an Hochschulen eigentlich lehren sollte«, erzählt Weider. »Ich, als Amateurin in der Lehre, erteilte mir die Aufgabe, die Lehre neu zu denken und alternative Lehrformen anzubieten.« Insbesondere geht es ihr um das Thema Leidenschaft – schon mit ihrem Indie-Magazin Ruhm & Ego (das wir in der Ausgabe 06.21 vorstellten), bewies sie einen gewissen Hang zu diesem Thema.
Für die Thesis war ihr Anspruch, die intrinsische Leidenschaft auf die Lehre zu übertragen, sie eignete sich Taktiken der Wissensvermittlung an und konzipierte einen Unterrichtsplan. »Ich nutzte meine Vorteile als Amateurin und experimentierte mit verschiedenen Unterrichtsformaten, wie zum Beispiel Speeddating, Screencasts oder automatisches Schreiben«, so Weider. »Durch einen öffentlichen Kanal auf Instagram, einer Exkursion nach Amsterdam oder Präsentationen während des Unterrichts, ermutigte ich die Studierenden dazu, selbstständiger zu arbeiten.« Das Grande Finale des Kurses war eine Semester-Ausstellung, die die Studierenden gemeinsam entwarfen.
»Du brennst es« bezieht den Aspekt mit ein, dass jeder Mensch individuell zu lernen in der Lage ist; das, so findet Weider, sollte ein Lehrkonzept widerspiegeln. »Aus diesem Grund ist Zuhören eine eher ungeeignete Lernform.«
»Studierende sollten aktiv, selbstgesteuert und an echten Situationen lernen und ihre Eigenverantwortung zeigen. Das trägt dazu bei, dass die Studierenden ihren Lernprozess selbstständig planen, mitgestalten und regulieren können.«
Sophia Weider
Ins aktive Machen kommen
Eine autodidaktische Dozentin, die Leidenschaft entfachen und neue Sichtweisen vermitteln möchte, ohne Frontalunterricht und strenge Hierarchien – klingt ziemlich verlockend. Die Lehrenden der HAW zeigten sich offen für ihre Ansätze, das Lehrkonzept entstand in Abstimmung mit dem Professor Stefan Stefanescu und der freien Lehrbeauftragten Hanna Osen.
Heraus kam ein Konzept, das ansteckend wirkt und anstrebt, ins aktive Machen zu kommen. Sophia Weider hält es für wichtig, sich Internet und Literatur nicht zu verschließen, mithilfe derer man sich heutzutage jederzeit selbstständig Wissen aneignen kann. »Wir brauchen keine Professor:innen, die uns Programme beibringen oder von den neusten Trends in der Designbrache berichten. All das können wir selbstständig herausfinden. Die Jagd nach den Credit Points ist auch nicht die Lösung, um ein Studium zu beenden«, findet sie. Was sie sich stattdessen wünscht: Coaches, Motivator:innen, Begleiter:innen. »Die, die mir die Ziele vor Augen halten und mich dazu motivieren, weiterzumachen, denn ich lerne dann neue Dinge, wenn ich motiviert bin.«
Disziplinübergreifend & leidenschaftlich
Weniger Regeln und mehr Leidenschaft – so wünscht sich Weider den Hochschulunterricht der Zukunft. »Gestaltungshochschulen müssen einen höheren Anspruch haben, als das Handwerk und die Software-Kenntnisse zu lehren. Eine Hochschule muss disziplinübergreifend lehren, neugierig, experimentierfreudig und ein leidenschaftlicher Ort sein.«
Das Portfolio von Sophia Weider
Ihr Magazin Ruhm & Ego, das sie mit Lucas Hesse herausgibt