In Studium und Ausbildung lernt man das Handwerkszeug für den späteren Beruf – idealerweise. Welche Fertigkeiten und welches Wissen man tatsächlich braucht, das zeigt sich oft erst in der Praxis. Wir haben Kreative gefragt, was sie gern gewusst hätten und welche Tipps sie anderen mit auf den Weg geben würden.
Den Anfang macht ein Kommentar von Christian Sobeck, aber auch Sie sind herzlich eingeladen, Ihre Erfahrungen oder Anregungen über die Kommentarfunktion zu teilen …
Ein Designstudium kann viele Namen haben. Kommunikationsdesign, Grafikdesign, Mediendesign, Design interaktiver Medien und so weiter. Was die Studiengänge gemeinsam haben, ist zu vermitteln, dass alles und jeder um uns herum kommuniziert und wir dieses Kommunizieren beeinflussen können – und müssen. Deshalb ist Kommunikation etwas Grundlegendes, was wir im Studium auf eine ganz neue Weise lernen.
Wir erfahren: Nicht nur Wörter kommunizieren, sondern auch Bilder, Layouts, Schriften, Logos und sogar Weißraum. Es ist nicht möglich, nicht zu kommunizieren. Und so werden wir geschult und feinfühlig für alle möglichen Arten der Kommunikation. Sie wird bis ins kleinste Detail leidenschaftlich diskutiert. Wir lernen unsere Ideen zu kommunizieren und zu verteidigen. Nicht nur argumentativ wie im Schulaufsatz, sondern auch über die Art und Weise, wie wir etwas rüberbringen. Erst dadurch erhalten wir das Handwerkszeug, um unsere Ideen zu beflügeln, und werden zu Meistern im Kommunizieren.
So weit, so gut. Doch dann drischt die Realität auf uns Junior Designer ein. Wir kommen auf den »Markt« und begegnen Dienstleistern, anderen Abteilungen, Kunden, Kollegen – vielen Menschen, die Kommunikation nicht studiert haben, und solchen, von denen man meinen könnte, sie hätten es nicht studiert. E-Mails sind leichtsam schnippisch formuliert und man kann bisweilen am Betreff schon ablesen, was einen in der Nachricht so erwarten wird. Kleine abfällige Bemerkungen können alltäglich werden sowie die Erkenntnis, dass hinterrücks in schlechtem Ton gesprochen wird.
Das tut vor allem eins: weh! Man hat sich so intensiv mit Kommunikation beschäftigt, dass einen diese kommunikative Gewalt wie ein Prügel trifft.
Auf ein positives Setting wird gepfiffen und man geht aus einem Diskurs nur noch als Gewinner hervor, wenn das Gegenüber beleidigt ist. Nein, es wird jetzt nicht mehr wohlwollend genickt und die Gestaltung zumindest als nachvollziehbar bezeichnet. Man begibt sich nicht mehr gemeinsam auf Fehlersuche, denn es reicht nun ein »Das gefällt mir nicht!« oder »Das bleibt ja so nicht, oder?«. Da könnte man jetzt sagen: Aha, da ist endlich jemand aus dem Nest gefallen und ja, die Welt ist ungerecht und das zeigt sie auch. Dabei möchte ich schlechte Arbeit nicht rechtfertigen. Aber Design ist ein Prozess, den wir mit Kunden, Kollegen und Vorgesetzten immer wieder durchleben. Wir werden dabei erfahrener und wissen unsere eigenen Schwächen neu auszurichten, deshalb ist konstruktive und achtsame Kritik so wichtig. Dabei muss Kommunikation in jedem Fall alltagstauglich sein und darf als Kritik nicht instrumentalisiert werden.
Nach dem Studium haben wir deshalb eine gewisse Erwartung an den Umgang miteinander. Und das sage ich als junger, weißer Mann. Unterhalte ich mich mit weiblichen Alumni, lässt sich leider feststellen: Witze rassistischer oder sexistischer Natur sind keine Seltenheit und fließen in den Alltag ein. Zahlreiche Studien und Fälle belegen: Frauen werden gemobbt, ihnen wird fachliche Kompetenz aberkannt und wenn das nicht hilft, wird unter der Gürtellinie angegriffen. Man kann sagen, wir haben in der Branche ein echtes Kommunikationsproblem.
Wenn ich das höre, wird mir übel. Wir, als Meister der Kommunikation, wissen es doch viel besser.
Oder ist das genau der Grund, weshalb wir so gut darin sind, andere Menschen zu beeinflussen und zu manipulieren? Nutzen wir diese Position gegenüber anderen aus? Klargemacht wurde uns: Die Arbeitswelt wird hart. Es wird Konkurrenz und Überstunden geben. Als Praktikanten werden wir Kaffee kochen und unterbezahlt sein. Dass das Studium verbal gewalttätiges Miteinander erst offenlegt und verletzbar macht, das war im Voraus nicht klar.
Doch wie gehen wir damit um? Die Lösung sind wir Kreativschaffende selbst, denn gleich ob Praktikant, Chefin, Kollege oder Auszubildende, wir alle können zu einem Miteinander auf Augenhöhe beitragen. Wir haben immer die Möglichkeit, genau hinzusehen und einzugreifen. Vielleicht würden gezielte Lehrveranstaltungen an Universitäten und Hochschulen auf das Jargon vorbereiten. Doch das eigentliche Problem sind die verbal Kriminellen und Mobber des Alltags selbst. Da hilft es letztlich nur, diese direkt anzusprechen und die Missachtung kommunikativer Netiquette aufzuzeigen und auch anzuprangern. Oder um es positiv zu formulieren: Wir müssen mit einem guten Beispiel vorangehen und die Arbeit unserer Mitmenschen branchenübergreifend wertschätzen und unterstützen. Durch Kommunikation können wir Initiative ergreifen, zu einer guten Stimmung beitragen, an Wertschätzung erinnern und für ein Lächeln sorgen. So haben wir es doch gelernt.
Text: Christian Sobeck
www.lucra-design.de
Für unsere Fragenkolumne und für den Laubbläser, fragten wir verschiedene Kreative nach ihrem Fazit aus Ausbildung oder Studium …
»Das Studium ist ein utopischer Ort für Design, dies sollte man so schnell wie möglich verstehen um ihn für sich nutzen zu können.« – Colin Dörffler
»Ich habe an der Blocherer Schule in München studiert und in den ersten vier Semestern gefühlt jedes Zeicheninstrument in der Hand gehabt, also das klassische Handwerk; das schätze ich schon sehr.« – Franziska Schatz
»Ich würde sagen ich habe insgesamt wenig über das Berufsleben gelernt, aber genau deswegen hat es auch Spaß gemacht. Eine experimentelle Zeit, die ich nicht missen möchte, wegen der Freiheit sich inhaltlich mit eigenen Interessen zu beschäftigen oder neue zu entdecken.« – Julia Schubert
»Probiere immer, um die Ecke zu denken und eine Schritt weiter zu gehen, selbst wenn du glaubst, du bist schon am Ziel.« – Noëm Held
»Ein Fazit aus meiner Studienzeit an der FH Design ist es, eigenständig einzufordern was einem beigebracht werden soll. Keine Ausbildungszeit ist perfekt, es ist dennoch immer möglich, das Beste daraus zu machen.« – Steffi Bauer
»Danach weiß man erst, was man glaubt zu können und machen möchte und die wirkliche Arbeit geht los.« – Thomas Pokorn
»Für mich war die Uni entweder zu früh, oder ich im für mich falschen Atelier. Auf jeden Fall habe ich mir mehr Blockaden zugelegt, als dass es mich unbedingt in dem unterstützt hat, was meine Stärke war. Schon als ich auf die Uni gegangen bin, waren meine Interessen Custom Type und Lettering. Auf der Uni hab ich dann großteils Visuals für Theaterfestivals oder andere nicht naheliegenden Dinge gemacht. Ich bin ungebacken und angsty von Skate-Logos zum Design und auf die Uni gekommen. Ich habe das Gefühl, dass dort, wie durch eine Stanze, die Studenten geformt und gepresst werden, statt in jedem einen einzigartigen Zugang zum Design zu erkennen, diesen unterstützen und so zu leiten.« – Kristina Bartosova
Neben dem üblichen Wissen über Steuer, freiberufliche Bürokratie und dem Aushandeln von Honoraren, hat mir anfangs die Sicherheit in der Kommunikation mit Kunden gefehlt. Richtig Lehrgeld musste ich aber beim Thema Repräsentanz zahlen. Als Neuling denkt man, super, ich habe einen Agenten, der kümmert sich um Aufträge und Verträge, und ich muss nur noch kreativ sein. Tatsächlich muss man auch bei Repräsentanten ständig auf der Matte stehen und sie nerven, damit sie einen im Kopf haben. Auch von Exklusivverträgen sollte man die Finger lassen, es sei denn, man ist ein Superstar. Besser ist es, Aufträge, die man selbst organisiert hat, auch selbst abzuwickeln, statt hinterher von der Repräsentantin 50 Euro Telefongebühren berechnet zu bekommen, wie es mir passiert ist. Robert Bartholot, Fotograf
Zu schüchtern oder zu selbstbewusst oder gar arrogant zu wirken hilft Berufseinsteigern nicht, obwohl viel zu viele das leider zu glauben scheinen. Ganz wichtig ist es daher schnell eine Balance zu finden zwischen Bescheidenheit und Selbstvertrauen.
Trotz bescheidenem Auftreten ist es aber sehr wichtig eigene Projekte und Arbeiten so vielen Leuten wie möglich zu zeigen, um Chancen und Möglichkeiten zu schaffen (»To create opportunities«, trifft das im Englischen hervorragend). Presse zu kontaktieren, kann potentiell Berge versetzen – mit gut vorbereiten Texten natürlich, druckfertigen und auch webgerechten Daten und natürlich einigen freundlichen Worten. Auskundschaften, statt zu hoffen, entdeckt zu werden, muss die Devise sein. Tomi Vollauschek, Grafikdesigner Fl@33
Finn says
Die Kommentare von Colin Dörffler und Julia Schubert fassen es für mich eigentlich perfekt zusammen. Das Studium ist eine schön glänzende Utopie, die so in der realen Berufswelt nie wieder auftauchen wird. Zumindest meiner Erfahrung nach. Meine dürftige Erkenntnis nach Abschluss: Design im Studium macht sau viel Spaß. Design im Job macht überhaupt keinen Spaß. Vielleicht hatte ich auch die falschen Jobs, aber diese, die ich hatte, haben mir den Spaß am Design genommen. Und natürlich bin ich mir darüber bewusst, dass eigens auferlegte Projekte, die nicht wirtschaftlich sein müssen, ein ganz anderes Level haben als die Projekte in Agenturen/Unternehmen, an denen viel Geld hängt. Aber die Tatsache, dass es in der Berufswelt oft wenig Wertschätzung für Design gibt und demnach häufig nicht auf unsere Kompetenzen gehört wird, sorgt schon für sehr viel Frustration. Ganz zu schweigen von dem wenigen Mut, den viele Kunden haben. Und all den anderen Problemen, die hier bereits erwähnt wurden.
Das hat mich lange nach dem Studium beschäftigt und ich weiß immer noch nicht so richtig, wie ich damit konkret umgehen soll. Ich finde es super wichtig und schön, dass das Studium frei, offen und experimentell ist. Das führt aber leider dazu, dass man mit dem imaginären Porsche aus der Hochschule gegen die Wand der Arbeitsmarkt Realität mit 300 Sachen brettert und in einen alten Opel Corsa geschleudert und gesetzt wird mit diesem man dann stotternd mit 80 weiter tuckern darf. Ich wüsste aber auch nicht, ob man da im Studium selbst konkret was ändern müsste oder ob Studierende, inklusive mir selbst, mit einer viel zu romantischen und idealisierten Vorstellung des Design-Berufs in die Ausbildung gehen.
Daniela Gaulrapp says
Die Zeit nach meinem Studium hat mir gezeigt, dass es für mich wichtig gewesen wäre bereits vor meinem Studium den passenden Weg zu gehen, schon das Fachabitur an der Gestaltung-FOS zu erlangen und sich nicht durch die Fächer des übergreifenden Abiturs am Gymnasium zu quetschen. Gerne hätte ich mich mit Druckmethoden und Bleisatz beschäftigt. Stattdessen lernte ich das erst über mein individuelles Interesse in meiner Freizeit. Die Theorie des Studiums fand ich gut und wichtig, jedoch finde ich sollte keine Hochschule Kommunikationsdesign anbieten, wenn keine Werkstätten zur Verfügung stehen. Ich bin trotzdem dort, wo ich vor meinem Studium sein wollte, als Art Direktorin, trotzdem frage ich mich, was wäre wenn, wäre ich dann noch mehr über mich hinausgewachsen?