Gegründet wurde das Atelier Dreibholz im Jahr 2004 in London und schon damals lag der Fokus auf Publikation, Buchgestaltung beziehungsweise Editorial Design. Seit 2014 ist das Atelier in Wien ansässig. Wir sprachen mit Paulus M. Dreibholz über seinen Werdegang und seine Liebe zum Editorial Design.
Könnten Sie uns etwas über Ihren Werdegang erzählen?
Als Sohn von einer Künstlerin/Architektin und einem Architekten bekam ich in den formenden Jahren zwangsläufig und entgegen aller pubertierender Interessensmuster natürlich einiges mit, was Kunst- und Kulturgeschichte, Humanismus und gesellschaftsrelevante Entwicklungen anbelangt, jedoch führte mein eigener beruflicher Weg zuerst über ein abgebrochenes Rechts- und Spanischstudium, und erst in zweiter Instanz, über eine künstlerische Ausbildung. Diese unternahm ich am London College of Printing and Distributive Trades – jetzt London College of Communication – und am Central Saint Martins College of Art and Design. Nach dem Abschluss mit einem Master of Art und der damit einhergehenden Spezialisierung in Typography and Language, war ich naiv und arrogant genug, mein eigenes Studio zu gründen. Das Atelier Dreibholz gibt es also seit Herbst 2003, bzw. Frühling 2004. Neben den praktischen Arbeiten, war es mir immer ein Anliegen zu unterrichten und auch zu publizieren, da ich diese für mich schon früh als reflektierende und dementsprechend wichtige Tätigkeiten wahrnahm, und was bis zur Familiengründung mit der Geburt meines ersten Kindes auch ganz gut klappte. Seit 2012 hat zumindest die Publikationstätigkeit abgenommen. Der Fokus unserer Arbeiten lag allerdings schon bald auf Editorial Design, bzw. Buchgestaltung, was sowohl meinem eigenen Interesse als auch glücklichen Umständen zu schulden war.
Im Dezember 2014 schließlich verließen wir als Familie London aus einer Reihe von gesellschaftlich klar ersichtlichen Entwicklungen heraus, und ließen uns in Wien nieder. Meine damalige Anstellung in der Klasse für Ideen an der Universität für angewandte Kunst Wien und verzeinzelten Kund:innen aus meiner Zeit in London, erlaubte es mir langsam eine neue professionelle Basis aufzubauen in Wien aufzubauen.
Fällt Ihnen ein entscheidender Moment ein, eine Person oder etwas, das Sie dazu inspiriert hat, in den Bereich [Editorial] Design zu gehen?
Ich darf hier – in chronologischer Reihenfolge – Peter Willberg, Freda Sack, Roland Früh und Roland Stieger nennen. Peter Willberg ermöglichte mir während meines Bachelor-Studiums erste Einblicke in die Komplexität der Buchgestaltung, Freda Sack dann während des Master-Studiums in die Feinheiten der Schriftgestaltung, Roland Früh motivierte mich indem er bei gemeinsamen Gesprächen es immer schaffte mit wenigen Bemerkungen einen größeren theoretischen Rahmen um die Disziplin zu spannen und Roland Stieger, indem er es bei einem Abendessen nach einer Ausstellung in der St Bride’s Library in London – meinte, dass Buchgestaltung doch die »Königsdisziplin« ist. Letzteres bestätigte mir nämlich, dass mein Interesse an dem Kulturobjekt Buch keine Scheu war, mich anderen Aufgaben, wie Art Direction oder Werbekampagnen zu stellen, sondern eine tatsächliche Leidenschaft sein könnte. Dies sollte sich auch in weiterer Folge bewahrheiten.
Wie würden Sie Ihre Designarbeit / Ästhetik beschreiben?
Natürlich entwickelt sich in einem über 20 Jahre hinweg entstandenen Werksverzeichnis eine gewisse Ästhetik. Diese schreibe ich aber keiner Speziellen formalen Vorliebe zu, sondern den von uns angewandte Methoden und Zugängen. Typografie ist – wie alle Gestaltungsbereiche – von eben diesen abhängig, und als Gestalter:innen fühlen wir uns mit gewissen Werkzeugen wohler als mit anderen. Dass – zum Beispiel – das Buch als Medium in Generellen, oder ein gewisses Buchformat im Speziellen, nicht immer das richtige Werkzeug ist, um eine kommunikative Frage zu beantworten ist offensichtlich. Aber innerhalb gewisser Parameter entstehen automatisch etablierte Maßnahmen. Diese münden dann in einer gewissen Ästhetik. Wir sind davor nicht gefeit, versuchen aber das Packet, also unsere Gestaltungsentscheidungen, immer wieder aufzuschnüren, um nicht in die Falle zu tappen, uns aus Bequemlichkeit zu wiederholen.
Sie konzentrieren sich vor allem sehr stark auf Editorial Design, was gefällt Ihnen am meisten an dieser Kommunikationsform?
Die umfassende Komplexität in der scheinbaren Einfachheit des Mediums Buch. Die Veränderungen, die dieses Medium durchläuft, sowohl in seiner Bedeutung als Kommunikationskanal, als auch in seiner Symptomatik als (Kultur)Objekt. Über Jahrhunderte war der Kodex als Buchform einer anscheinend nur langsamen Entwicklung unterzogen. Klar ersichtlich ist jedoch, dass mit dem Aufkommen neuer Kanäle und den damit verbundenen Wahrnehmungsprozesse, das Buch ebenfalls neue Bedeutungen, Nischen und Märkte erschaffen oder erobert. Der Prozess ist jenem der neu aufkommenden Fotografie und den dadurch neuen Herausforderungen der Malerei nicht unähnlich.
Gibt es im Editorial Design ein Format (Buchgestaltung, Broschure, Magazine, Kataloge, etc) an dem Sie am Liebsten arbeiten?
Ohne auf die unzähligen spannenden Mischformen einzugehen, wäre dies wahrscheinlich jegliche Kombination aus Text und Bild. Demzufolge stellt noch am ehesten der Katalog meine bevorzugte gestalterische Spielwiese dar. Ich freue mich jedoch auch sehr über stark textlastige Projekte, und auch komplexe wissenschaftliche Publikationen sind für mich äußerst spannende Herausforderungen. Meine Begeisterungsfähigkeit gegenüber jeglichen Themen und gestalterischen Aufgaben ist auch laut Kolleg:innen mein größter Feind eine eindeutige Identität als Studio zu entwickeln.
Was ist der Unterschied zwischen dem Designprozess für kleinere und größere Formate?
In meinem Gestaltungsprozess spielt es keine Rolle, ob ein Format größer oder kleiner ausfällt. Sobald wir von mehr als einer »bespielten« Seite (wie dies beim Plakat der Fall wäre) ausgehen, greifen die Kriterien und Komplexitäten der zeitlichen und räumlichen Abfolge und entsprechender leseerognomischen Variablen. Auch wenn diese nicht zu kontrollieren sind, sind sie dennoch zu beeinflussen. Sie stehen im Gegensatz zur Gleichzeitigkeit, wo die Leser die Gesamtinformation auf einmal präsentiert bekommen.
Sind Sie optimistisch, was zeitgenössisches Editorial Design angeht, oder deprimiert Sie ein Besuch im örtlichen Zeitungsladen?
Es gibt großartige zeitlose Beispiele im Bereich Editorial Design, sowohl aus der Vergangenheit, als auch in der Gegenwart. Überraschenderweise sind es aber sehr oft die selben Protagonist:innen, welche es schaffen, ganzheitlich wertvolle Arbeiten zu gestalten, bei denen sowohl Leserschaft, Kund:in und Disziplin heraus-, aber nicht überfordert werden. Viel Zeitgenössisches verschwindet schnell wieder und das ist auch gut so.
Sie arbeiten viel im Kunst- und Kulturbereich, was gefällt Ihnen besonders an dieser Branche?
Die Fragestellungen über etablierte und neue Zusammenhänge sind im Kunst- und Kulturbereich jenen der Gestaltung ähnlich. Ein gewisser Mut neue Wege zu beschreiten, also Gestaltungs- und Bedeutungsformeln als solche zu entlarven und zu verarbeiten, steht diesen Disziplinen nahe. Eine Hypothesenbildung, im Sinn von, »Was wäre wenn?«, oder »Ist es nicht so, dass …?« ist eine oftmals willkommene Methode, sich einem Projekt zu nähern. »Unsicherheit« ist demnach keine Bedrohung, sondern eine etablierte Methode kritischer Gestaltung. Das reflektiert auch sehr akkurat unseren Zugang. Ich hoffe mit den Arbeiten, die unser Studio verlassen die Gesellschaft mitzugestalten, sie aber nicht zu entfremden.
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