Man weiß gar nicht wo man mit dem Staunen und Schönfinden beginnen soll, wenn man den Melitta-Geschäftsbericht in Händen hält. Eine Laserstanzung, Ausklapper, diverse Papierwechsel und eine fadengeheftete Schweizer Broschur mit offenem Rücken – hier wurden wirklich alle Register gezogen. Trotzdem ist der Geschäftsbericht nicht nur beeindruckend produziert, sondern auch ein rundum nachhaltiges Produkt. Das Münchner Grafikbüro klee.steinberger überprüfte jeden Bestandteil des Geschäftsberichts auf seine Umweltverträglichkeit hin, vom Papier bis hin zum Kleber und der Veredelung. Das Resultat kann sich wirklich sehen lassen und zeigt, was möglich ist, wenn Gestalter das Thema Nachhaltigkeit konsequent in ihren Entwürfen umsetzen. Wir sprachen mit Claudia Klee und Vit Steinberger über das ungewöhnliche Projekt.
Das Thema Nachhaltigkeit hat ja beim Geschäftsbericht eine große Rolle gespielt, inwiefern hat es auch die Gestaltung beeinflusst? Haben Sie erst ein visuelles Konzept erarbeitet und dann geschaut, wie es sich umweltfreundlich umsetzen lässt oder hat die nachhaltige Produktion das Design beeinflusst?
Im Rahmen des Melitta Group Geschäftsberichtes sollte nicht nur über das Thema bzw. Projekte berichtet werden, sondern gerade die Druckversion selbst sollte die nachhaltige Denk- und Wirtschaftsweise des Unternehmens widerspiegeln und maximal nachhaltig in allen Facetten umgesetzt werden.
Umweltauswirkungen, Nutzen und Wertschätzung/Responsequote sollten im bestmöglichen Verhältnis zueinanderstehen. Das Druckprodukt, die Gestaltung und die sorgfältige Projektplanung orientierte sich an diesem Ziel.
Deshalb war es von der ersten Idee bis zum Versand ein Pingpong-Spiel. Die Gestaltung des Berichts und die Produktionsplanung mussten von Anfang an ineinandergreifen und als Gesamtprozess gedacht werden. Nachhaltige, ressourcenschonende Produktion und ästhetische Gestaltung sollten sich gegenseitig pushen, nicht beschneiden. Gerade weil man nicht mehr den ganzen Baukasten an Veredelungsmöglichkeiten zur Verfügung hat, tun sich neue Denkansätze auf. Der Prozess wird fokussierter genauso wie das Produkt auch. Es war befreiend und spannend mit reduzierten Möglichkeiten arbeiten zu dürfen.
Können Sie uns etwas zum Papier sagen?
Die Entscheidung für Extract Paper hatte mit Abstand den größten Einfluss auf die Gestaltung, vor allem auf den Umgang mit Farbigkeit. Durch die Verwendung der verschiedenfarbigen Papiere haben wir im Druck bewusst auf Farbe, also auf Buntheit, verzichtet und konnten Druckfarben reduzieren. Das entscheidende Kriterium war aber, dass es ein Papier aus Sekundärfasern ist, außerdem die entfernte Verbindung zu Kaffee und der Beitrag zur Lösung des Problems mit den massenhaften Coffee-to-go-Bechern. Konsequent nachhaltig zu produzieren ist aber weitaus mehr als Recycling Papier zu verwenden, obwohl dies die größte Relevanz für die Umwelt hat. Unsere Überlegungen und Entscheidungen gingen von Design, Formatanpassung, sinnvollem Seitenumfang, Materialität, Produktion und Verarbeitung mit der Umweltdruckerei Ulenspiegel – über CO2-Effizienz, Nutzen und Lebensdauer des Mediums Geschäftsbericht im Allgemeinen sowie als Kommunikationsmittel mit vielschichtigen Botschaften für die Melitta Group im Besonderen – bis hin zu Logistik/Transportwege, Weiterverwendung von Makulatur und Verschnitt. Die wertige Druckversion sollte vor allem ein inspirierendes Statement der Melitta Group für eine nachhaltige Zukunft sein und lange im Bücherregal verweilen.
Welche Papiere haben Sie genau eingesetzt und wie wurden sie bedruckt, beziehungsweise veredelt?
Cover Innen-Material: Extract Paper von G.F Smith/Römerturm,130g/qm, Druck 2/2-farbig (schwarz + P485)
Poster-Material: Recystar (inzwischen EnviroNatur) 100g/qm, Druck 2/2-farbig (schwarz + P485)
Cover Außen-Material: Gmund Colors Matt 71: 480g/qm, Lasercut, Blindprägung
Der Melitta-Geschäftsbericht ist ja sehr aufwendig produziert, was war in punkto Produktion tatsächlich die härteste Nuss, die Sie zu knacken hatten?
Die härteste Nuss war der Buch-Mantel mit integrierter Tasche. Dieser sollte aus einem Stück gefertigt sein, damit wir auf Leim und unnötige Produktionsschritte verzichten konnten und gleichzeitig die größtmögliche Stabilität haben. Außerdem brauchte er eine gewisse Höhe, um eine einfache Handhabung mit dem eingesteckten Poster zu gewährleisten. Wir haben viel experimentiert, gemeinsam mit Ulenspiegel Druck und Stigler.
Sie haben, was Nachhaltigkeit angeht, bei diesem Projekt sicher viel gelernt, was war Ihnen vorher so nicht bewusst?
Dass es für eine ressourcenschonende Produktion weitaus weniger technische Innovationen gibt als erwartet. Die größten Potentiale liegen im Material Papier und Farbe. (Für die Herstellung des Extract Papers wurde die CupCycling Technologie entwickelt. Diese Lösung hat eine einzigartige Zusammenarbeit zwischen Verbraucher, Recycler und Papierhersteller erfordert.) Und natürlich in der Zusammenarbeit mit einer Umweltdruckerei wie Ulenspiegel. Uns hat auch erstaunt, dass es zwar Dispersionsleime, also wasserbasierende Leime gibt, diese aber ausschließlich in Kombination mit einer Fadenheftung verwendet werden können, ohne dass sich die Leimung auflöst. Für eine reine Klebebindung sind sie nicht zu gebrauchen.
Was hat Ihnen selbst am meisten Spaß gemacht, worauf sind Sie besonders stolz?
Wenn am Ende eins ins andere geht und alles zusammen Sinn ergibt – die Verknüpfung des Mottos mit Produktion und Material und mit den digitalen Medien. Projekte und Themen in dieser Art und Weise zu denken und umzusetzen ist uns ein persönliches Anliegen – das hat Spaß gemacht.
Und vor allem, dass wir gemeinsam mit der Melitta Group und unseren Partnern das Projekt mit dieser Zielsetzung so konsequent durchziehen konnten – durch viele Gespräche, Tüfteln und Experimentieren und sorgfältig abgewogene Entscheidungen.
Die Basis: nachhaltiges Extract Papier
Als Basis für den Melitta-Geschäftsbericht wurde das bunte Extract-Papier von G.F Smith aus recycelten Coffee-to-go Bechern verwendet. Mithilfe der CupCycling-Technologie von James Cropper können nun 90 Prozent eines Einwegbechers in FSC®-zertifizierte Papierfasern umgewandelt werden. Die verbleibenden zehn Prozent Plastik werden zu anderen Produkten weiterverarbeitet, sodass keine Abfälle entstehen (»zero waste«). Durch die innovative CupCycling-Technologie enthält jeder Bogen Extract mit einer Grammatur von 380 g/m² mindestens fünf aufgearbeitete Coffee-to-go-Becher.
Römerturm Feinstpapier ist für Extract von G.F Smith exklusiver Vertriebspartner in Deutschland. Extract ist in den Grammaturen 130 g/m² und 380 g/m² bereits ab einem Bogen erhältlich. Weitere Informationen unter www.roemerturm.de