Der japanische Designer Kenya Hara hat sich intensiv mit einem Thema auseinandergesetzt, das für die meisten wenig interessant wirkt: Reinigen, Putzen und Säubern. Mit hunderten von Fotos beweist er, dass »Cleaning« essenzieller Teil der menschlichen Kultur ist!
Zur Untermauerung seiner These hat Kenya Hara, der zu den weltweit führenden Vertretern seiner Zunft gehört, ein kleines, dickleibiges Buch zusammengestellt, in dem er und sein Team sich mit den verschiedenen Aspekten des Putzens auseinandersetzen. Im Akt des Reinigens sieht der Chefdesigner der weltbekannten Marke »Muji« einen entscheidenden Unterschied zur Natur. »Menschen sind Lebewesen, die ständig sich selbst und ihre Umgebung reinigen. Reinigen schafft eine Balance zwischen der Natur und dem, was die Menschen geschaffen haben.«
»Cleaning« schärft den Blick nicht zuletzt durch eine sorgfältige Gliederung in die unterschiedlichen Formen des Säuberns. In nicht weniger als 16 Bildkapitel unterteilt Kenya Hara die Prozeduren, und der Betrachter staunt ebenso über die Vielfalt der Ausführungen wie über den Reichtum der Begriffe: Fegen, Staubwischen, Pusten, Schlagen, Waschen, Wischen, Glätten, Harken, Striegeln, Reinigen, Schrubben, Kratzen, Ausradieren, Schaufeln, Entfernen, Löschen werden da eindrucksvoll präsentiert.
Selbstverständlich zeichnet der Designer zum Auftakt der Kapitel mit feinem Strich einige der jeweils typischen Werkzeuge, als kleines Extra gibt es auch noch Illustrationen von drei landestypischen Hausierern, die Besen (Japan), Schwämme (Griechenland) oder auch ein ganzes Sortiment von Putzgeräten (Thailand) feilbieten.
»2019 bereisten wir die Welt und fotografierten Menschen beim Reinigen. Das war so eine Zeit, bevor COVID-19 um den Globus ‚fegte‘. Wir hatten uns gefragt, ob das Wesen des Menschen vielleicht in unseren alltäglichen und ganz normalen Reinigungsarbeiten schlummert, die kulturen- und zivilisationsübergreifend existieren. Als die ganze Welt stehen geblieben schien, ließen uns diese Fotos und Videos unsere gewöhnlichen Routinen vermissen.« (Hara)
So sind es nicht nur spektakuläre Reinigungsprozeduren, wie das Putzen ganzer Schiffe und Flugzeuge oder die alljährliche, rituelle Säuberung einer 15 Meter hohen Buddha-Statue.
Gerade die Augenblicke eines scheinbar schlichten, alltäglichen Reinigens, müssen den Betrachter nachdenklich stimmen. Ob es sich dabei nun um das schlichte Zusammenkehren vor einer Ladentür handelt, oder auch nur um das Abwischen der Tischplatte nach dem Essen, ja, selbst das Bild eines banalen Müllwagens oder das Stillleben der Putzutensilien gewinnen in diesem Kontext eine faszinierende Aussage und verleihen der Reinigung eine neue Bedeutung.
Text: Herbert Lechner
Cleaning
Kenya Hara (Hg.)
Lars Müller Publisher
11,8 × 16 cm, 504 Seiten, Paperback, Text in Englisch
2023, 978-3-03778-732-8
30,– SFr.
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