Mitten im Praxissemester erfuhr Anna Lena Gangluff von der Insolvenz der Druckerei Kösel. Ihr selbst war der Name noch kein Begriff, aber schnell spürte sie die Schockwelle, die damit durch die Branche ging. So begab sie sich für ihre Bachelorarbeit an der Hochschule Düsseldorf auf Spurensuche und realisierte eine auch formal beeindruckende Dokumentation.
Sie haben sich für Ihre Arbeit intensiv mit der Geschichte, aber auch mit den innovativen Entwicklungen von Kösel auseinandergesetzt. Welche hat Sie am meisten beeindruckt?
Jede Technik ist für sich eine Besonderheit. Ich wusste aber beispielsweise nicht, dass die Freirücken-Broschur eine Entwicklung von Kösel ist. Zudem finde ich die Book-in-Book- Technik auch eine sehr schöne Lösung, um Inhalte zu separieren.
Ihnen war also schnell klar, dass es sich um eine besondere Druckerei handelt?
Ja, denn egal, mit wem ich gesprochen habe – mit Mitarbeiter*innen im Verlag Hermann Schmidt oder in anderen Druckereien –, alle schwärmten in den höchsten Tönen von Kösel und hatten ein Leuchten in den Augen. Darum ging die Schließung wohl auch so vielen Personen sehr nahe.
Wussten Sie von Beginn an, wie Sie diese Historie in einem Buch einfangen können?
Die Konzeption war tatsächlich ein wenig komplizierter, denn ich wollte zum einen die traditionsreiche Geschichte einfangen, aber noch einen Mehrwert bieten. Von Anfang an waren daher auch Interviews mit ehemaligen Mitarbeiterinnen und Wegbegleiterinnen eingeplant. Während meiner weiteren Recherchen erfuhr ich von den patentierten Fertigungstechniken von Kösel – hierauf richtete sich immer mehr der Fokus. Es ging auch darum, überhaupt das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Druckereien mehr tun, als nur Tinte auf Papier zu bringen.
Wie ging es dann formal weiter?
Ich wollte das Buch gerne selbst binden und baute ein interaktives Element in Form von ausklappbaren Fotoseiten im Teil der Fertigungstechniken ein. Die haptische Trennung war nicht von Anfang an eingeplant, sondern eine Notwendigkeit, damit meine Faltung und Bindung funktionierten.
Eine spezielle Falttechnik im Mittelteil schuf eine weitere Leseebene. Wie kamen Sie auf diese Idee?
Bei meinen Recherchen stolperte ich über einen wunderbaren Katalog der Schönsten Bücher der Niederlande, der große farbige Seiten hatte, die in der Mitte einfach gefaltet waren. Daran wollte ich gerne anknüpfen. Tagelang wurde jeder Kassenzettel und Stück Papier, das mir in die Hände fiel, auf die unterschiedlichste Art und Weise gefaltet. So kam ich schnell zu dem Knick, der es auch am Ende geworden ist. Es ist toll zu sehen, wie viele verschiedene Gestaltungsebenen sich durch drei einfache Falze ergeben können.
Die größte Hürde in der Umsetzung war die Produktion dieser Seiten. Man kann sich vorstellen, wie schwierig es ist, diese Faltung am Telefon zu erklären (lacht). Viele meinten auch, dass es nicht funktionieren würde – da hätte ich selbst gerne nochmal die Druckerei Kösel an der Seite gehabt …
Eine japanische Fadenheftung, ein offener Rücken, die Einarbeitung verkürzter Graupappen als Kapiteltrenner – was hat Ihnen am meisten Kopfzerbrechen bereitet?
Ganz klar: die Bindung! Das war wirklich ein kleiner Kampf. Ich habe zwei verschiedene Bindungen in der Arbeit verwendet, die japanische Fadenheftung und eine normale Fadenheftung. Es war eine riesige Herausforderung, die Verbindungen zwischen all den einzelnen Komponenten zu schaffen. Mit jedem Versuch ergaben sich neue Probleme und ich hatte die Sorge, dass es »gebastelt« aussehen könnte, doch nach dem Endbeschnitt wirkte alles sauber und stimmig.
Betreuer dieser Bachelorarbeit waren Prof. Victor Malsy und Hilde Gahlen.
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Text: Bettina Schulz