Ein Magazin für Kinder zu machen ist keine leichte Aufgabe, denn die Zielgruppe hat unendliche viele Interessen und ist zugleich sehr anspruchsvoll. In einem einjährigen Entwicklungsprozess wurde das Magazin Zeit Leo komplett überarbeitet, in dieser Woche startet die Zeitschrift im neuen Gewand. Wir sprachen mit Art Direktorin Kai Schmitzer über das Redesign, das neue Konzept und darüber, dass es auch Eltern nicht immer pädagogisch wollen und Design für Kinder nicht weichgespült sein muss.
Was war ausschlaggebend für die Neugestaltung von Zeit Leo?
An dem Relaunch arbeiten wir im Team seit über einem Jahr, der Prozess war recht lang, denn wir hatten nebenher noch unsere regulären Produktionen laufen. Ausschlaggebend war, dass der letzte Relaunch 2016 war und wir das Gefühl hatten, wir müssen mal wieder an unser Heft ran.
Angefangen haben wir mit einer Analyse des Marktes und unserer Zielgruppe und dachten dann erstmal sehr umfassend in alle Richtungen. Wir hätten uns alles vorstellen können, von Magazin abschaffen und stattdessen eine Zeitung, eine App oder einen Podcast zu machen, ein Buch, mit dem Schwerpunkt Literatur, dass nur viermal im Jahr herauskommt oder ein Bastelheft für kleinere Kinder. Und nach einem sehr langen Prozess, sind wir dann doch wieder bei dem gelandet, was wir so ähnlich schon vorher gemacht hatten. Manchmal braucht man einen großen Rundumschlag, um zu merken, was vorher gut war.
Sie haben bei der Neuausrichtung ja zunächst in alle Richtungen gedacht, was ich sehr mutig finde. Trotzdem sind Sie mehr oder weniger wieder da gelandet, wo Sie begonnen haben.
Ja, es ist immer noch ein Magazin, es kommt immer noch achtmal im Jahr heraus. Trotzdem ist vieles neu: Vorher hatten wir drei Kapitel, die haben wir über Bord geworfen. Jetzt besteht das Heft aus einer Mischung von Rubriken-Seiten, die ziemlich klar im Design sind. Auch sehr viel schwarzweißer als vorher, wir haben eine neue Typografie eingeführt und es ergibt sich insgesamt ein viel einheitlicheres Bild. Die Rubriken-Seiten werden immer wieder aufgebrochen von individuell gestalteten, besonderen Geschichten, die auch viel länger sind und sich viel besser absetzen können. Im Grunde genommen haben wir das Grundrauschen der Rubriken-Seiten ein Stück weit zurückgeschraubt, um darauf aufbauend die besonderen Geschichten mehr hervorzuheben. Sie können jetzt im Heft einfach mehr scheinen, durch ihre ungewöhnliche Gestaltung und Opulenz.
Was sich auch verändert hat, ist die Zielgruppe. Es klingt etwas unlogisch, aber wir haben sie verjüngt. Kinder sind ja eine eher schwierige Zielgruppe, sie werden so schnell älter und dann verliert man sie als Leser. Logisch wäre es also zu sagen, wir legen die Zielgruppe altersmäßig breiter an, dann halten wir sie länger. Im vorherigen Heft haben wir das auch gemacht und sowohl Siebenjährige als auch Vierzehnjährige angesprochen. Das ist aber gar nicht so einfach, nicht nur was die Themen angeht, sondern auch in den visuellen Vorlieben unterscheiden sich die Jüngeren von den Älteren stark. In Tests haben wir gesehen, dass die Kinder je nach Alter auf sehr unterschiedliche Sachen stehen, zum Beispiel sind die Illustrationen, die sie mögen, ganz anders und auch die Farben.
Es gibt eine Art Breaking Point und der ist das Smartphone. Meist bekommen die Kinder eines, wenn sie auf die weiterführende Schule gehen, dann beginnen sie sich von den Eltern abzunabeln und möchten nicht mehr so gern das bunte Heftchen lesen, dass ihnen die Eltern kaufen, sondern selbst Inhalte entdecken. Deshalb haben wir unsere Zielgruppe verjüngt und verengt und können jetzt viel spitzer und zielgerichteter formulieren, sowohl inhaltlich wie gestalterisch, was in Zeit Leo passiert.
Sie haben es gerade schon angesprochen, die Zielgruppe einer Kinder-Zeitschrift sind natürlich Kinder, gekauft werden die Hefte aber von den Eltern. Inwiefern gestaltet man also bei einer Kinder-Zeitschrift auch immer für die Eltern mit?
Das ist eine super Frage, die haben wir uns auch gestellt. Das ist etwas, was wir beim Relaunch auch extrem verändert haben, inhaltlich, aber auch in der Gestaltung und auf dem Titel. Vorher haben wir tatsächlich oft versucht, pädagogisch an Themen heranzugehen und auch einen Mehrwert für die Eltern zu transportieren. Wir hatten beispielsweise mal einen Titel, der hieß: Mach dein Handy sicher. Der Titel sollte ganz klar Eltern ansprechen und ihnen signalisieren, wir vermitteln Medienkompetenz. Auch dazu haben wir Tests mit Eltern und Kindern gemacht und gesehen, das interessiert Kinder nicht. Die Eltern haben dann oft das Problem, dass sie ihren Kindern das Heft schmackhaft machen müssen, so nach dem Motto, jetzt lies das doch mal. Darauf haben Kinder dann erst recht keine Lust. Aber auch die Eltern reagieren oft anders als man denkt, auch sie schauen mit Kinderaugen auf ein Produkt und wollen ihren Kindern das schenken, was ihnen gefällt.
Den Spagat, den wir vorher versucht haben, sowohl an die Eltern wie auch an die Kinder zu verkaufen und beide anzusprechen, den haben wir jetzt einfach rausgestrichen. Dadurch können wir jetzt viel fokussierter arbeiten.
Wir möchten uns mit den Kindern verbünden und sein wie ein großer Bruder oder eine große Schwester. Sie an die Hand nehmen und auf Augenhöhe mit ihnen kommunizieren. Sie ernstnehmen in ihren Ängsten und Sorgen, aber auch beim Quatsch, so bringen wir jetzt auch immer wieder Ideen, mit denen die Kinder ihre Eltern austricksen können. Wir wollen also komplett auf der Kinderebene bleiben.
Und wie kommuniziert das Cover das Ganze?
Hier haben wir etwas neu gemacht, über das ich mich sehr freue. Bisher gab es immer ein Kind auf dem Cover, das hat den Vorteil, dass man sofort merkt, es handelt sich um ein Kindermagazin. Schwierig wurde es dadurch aber, Themen zu vermitteln. Das hat man ja oft, ein schöner Mensch ist auf dem Titel, dann muss aber noch das Thema deutlich werden, also schreibt man es irgendwo hin, wodurch alles so ein bisschen halbgar wird.
Das haben wir jetzt also nicht mehr. Jetzt ist die Cover-Gestaltung viel konzeptioneller, auch illustrativer und die Bandbreite an möglichen Motiven ist vielfältiger. Wir haben gesehen, dass die viel buntere, illustrative und poppige Bildsprache die Kinder noch mal ganz anders erreicht und sie ganz aufgeregt und happy damit sind. Das Spielerische der neuen Cover spricht auf eine viel emotionalere Art an.
Wir haben das in qualitativen Gesprächen mit Eltern und Kindern getestet und es war teilweise krass, wie die Kinder auf die neuen Cover reagiert haben. Sie haben sie teils an sich gedrückt oder losgelacht und sich gegenseitig aus der Hand gerissen.
Wie sind Kinder denn ganz allgemein als Zielgruppe, sehr anders als Erwachsene?
Das Besondere an der Arbeit für ein Kindermagazin ist, dass es ja kein Special-Interest-Magazin ist. Denn die Zielgruppe zeichnet sich ja nur dadurch aus, dass sie jung ist, ansonsten interessieren sich Kinder für alles. Für Gefühle, für Träume, für Archäologie, für Technik, Zukunft, Umwelt und auch sonst alles Mögliche. Deshalb muss man breit denken, das ist auch für die Heftmischung wichtig und Kinder mit unterschiedlichsten Interessen ansprechen. Man muss also quasi Experte für alles sein, Kinder sind eine recht anspruchsvolle Zielgruppe.
Noch mal zur Gestaltung, das Logo ist ja gleichgeblieben, wie sieht es mit der Typografie aus?
Nein, das Logo haben wir nicht verändert, das wäre im Moment ein zu großer Schritt gewesen, da am Logo auch noch andere Anwendungen hängen. Die Schrift ist die Circular, die ist auch geblieben, allerdings wurden inzwischen weitere Schnitte entwickelt, die wir hinzugekauft haben. Jetzt gibt es auch Extra Thin bis Extra Black und viele weitere Schnitte, die uns mehr Varianz erlauben, ein bisschen mehr Drama. (lacht)
Ansonsten haben wir alle Rubrikenseiten überarbeitet und die Farben rausgenommen. Nun sind sie alle schwarzweiß, um aber auch hier eine gewisse Kindlichkeit einzuführen, haben wir eine weitere Schrift von Lineto hinzugenommen, die Biff, eine bubbelige, cute Kaugummi-Schrift. Die Biff bestimmt nun die Headlines und wirkt stark und trotzdem witzig, sie prägt die Seiten und auch das Heft, das Aussehen ist jetzt einheitlich, aber dennoch kindlich.
In Zeit Leo werden ja auch viele Illustrationen eingesetzt, wie wählen Sie die Illustratoren aus?
Bei den Rubrikenseiten kommen immer die gleichen Illustratoren zum Einsatz, mit ihnen arbeiten wir in jeder Ausgabe zusammen. Aber es gibt auch in jedem Heft 4-6 weitere Stellen für Illustrationen und hier fragen wir immer neue und andere Leute. Das können nur kleine Spots oder Weltkarten sein, aber auch mal die Titelgeschichte über 5 Doppelseiten.
Nachdem unser Konzept feststeht, recherchieren wir, das meiste finden wir über Instagram und Design-Blogs, aber manchmal ist auch etwas bei den Portfolios dabei, die wir zugeschickt bekommen. Im Moment haben Illustrationen auch größere Bedeutung, denn in Corona-Zeiten ist es schwierig geworden, Fotos zu machen. Unsere Geschichten sind immer sehr nah an den Protagonisten dran und das geht momentan schlecht.
Nun haben Sie ein ganzes Jahr an diesem Relaunch gearbeitet, was finden Sie persönlich denn besonders gelungen, was macht Sie stolz?
Ich möchte vielleicht gern erst auf das Inhaltliche eingehen und dann auf die Gestaltung, beides kann man nicht ohne das andere denken. Das Ganze war ja ein Prozess mit Höhen und Tiefen und vieles was wir machen wollten, hat nicht funktioniert. Was sich aber im Lauf dieser Entwicklung ergeben hat, war die Idee einer Abenteuerreise. Zunächst brauchten wir nur einen Claim, aber der Abenteuergedanke wurde dann zu einer Art Leuchtfeuer, an dem sich das ganze Heft ausgerichtet hat. Vorher gab es Kapitel, die eingeteilt waren in Verstehen, Erleben, was tun. Das Ganze war recht didaktisch. Jetzt haben wir eine Art Dramaturgie, die an sich schon ein Abenteuer erzählt, wenn man das Heft durchblättert. Was bedeutet Abenteuer erleben im Bild? Aus diesem Gedanken ließ sich einfach sehr viel ableiten.
Mehr zur Zeit Leo unter: leo.zeitverlag.de
Das Gespräch führte: Christine Moosmann