In einem sehr ungewöhnlichen und arbeitsintensiven Kollaborationsprojekt hat sich das Grafikmagazin mit sechs Studios und Designer:innen in Deutschland und den USA zusammengetan, um sechs verschiedene Cover-Motive zu erarbeiten. Jedes Design besitzt einen ganz eigenen Charme und vor allen Dingen drucktechnische Finesse. Hier erfahren Sie mehr zu den sechs Cover-Motiven und den kreativen Köpfen, die dahinterstecken.
Die Risografie ist nicht nur ein sehr umweltfreundliches, sondern auch ein enorm vielseitiges Druckverfahren. Bei Magazin-Covern läßt man jedoch in der Regel die Finger davon – zu hohe Auflagen, zu viel Farbauftrag, zu viel Abrieb, viel zu empfindliche Oberflächen. All das stimmt, doch wie heißt es so schön: Wenn es keinen Weg gibt, dann musst du dir einen machen.
Risografie-Studios sind meist klein und große Auflagen tatsächlich oft ein Problem. Also verteilte das Grafikmagazin die Last auf mehrere Schultern und lud sechs Designer:innen und Risografie-Studios ein, ihr individuelles Motiv zu entwickeln und zu drucken. Im Sommer trudelten dann trotz Urlaubszeit die Entwürfe ein und jedes neue Motiv löste in der Grafikmagazin-Redaktion Begeisterung aus. Kein Design ähnelte dem anderen und auch drucktechnisch steckte viel Raffinesse in den Motiven.
Die Vorbereitung und Koordination dauerte Monate und ohne das Engagement und eine gute Portion Selbstausbeutung und Wahnsinn auf Seiten der Riso-Crews, wäre dieses großartige Projekt nicht möglich gewesen. Also Vorhang auf für unsere Hauptdarsteller:innen …
Martin Krusche
Martin Krusche ist seit 2008 freischaffender Illustrator in Berlin und der Beruf ist für ihn gleichermaßen Berufung wie Passion. »Da ich mich schon sehr früh intensiv mit der Siebdrucktechnik beschäftigt habe, ist diese nach wie vor eine meiner Lieblingsherstellungs- und Drucktechniken«, sagt er. »Das Arbeiten beim Siebdruck (und dann auch mit der Risografie) mit reduzierten Farben und in Ebenen hat sich dadurch auch in meine Gestaltungsweise und auch in meine Denkweise eingebrannt.«
»Das Motiv selbst habe ich nach einer Skizze in Illustrator angelegt und
dann in Photoshop mit Verläufen und Schatten und das »Aufsplitten« in
die drei Druckfarben »risofähig« gemacht. Ich spiele beim Risodruck sehr gerne mit dessen kräftigen Druckfarben als auch mit dem schönen Druckbild und mag es, wenn überdruckt wird, so dass ganz neue Farbräume entstehen. Außerdem finde ich die Aufrasterung des Risografen sehr toll, sodass ganz eigene und besondere Verläufe
sowie Rasterungen entstehen.«
Rosidruckt
Rosidruckt, das sind Sabine Bretschneider und Andreas Ullrich. Sie ist gelernte Grafikdesignerin und hat an der Akademie der Bildenden Künste in München Bildhauerei studiert. Auch er besuchte die AdBK, allerdings in der freien Klasse für Grafik und Malerei und absolvierte die Meisterschule für Mode in München. Beide sind in Grafik und Design ebenso verwurzelt wie in der Kunst und anfänglich war es der Siebdruck, dem es gelang, beide Bereiche zu verbinden, inzwischen gilt ihre Leidenschaft der Risografie.
Das Cover zeigt zwei Porträts, die auf dem Vorlagenglas der Risomaschine erstellt wurden. Nachträglich verfremdeten Brettschneider und Ullrich die Scans am Computer unter anderem mit Pinselstrichen. »Da wir, von Rosidruckt, uns hauptsächlich auf Kunstdrucke und Editionen spezialisieren, war es unser Ziel, den Individualisierungsgrad der Coverauflage durch das Design und technische Anpassungen zu erhöhen. Das Cover wurde mit zwei Farben und drei Druckprozessen auf der Zweifarbmaschine MZ 770 umgesetzt. Dabei verwendeten wir sechs verschiedene Vorlagen (Mastervorlagen), die wir immer wieder zerschnitten und verschoben haben«, erklären die Kreativen.
The Happy Club
Initiiert von der Designerin und Illustratorin Michaela Huml, öffnete der Happy Club 2022 erstmals seine Pforten: ein offenes Risografie-Studio mit Shop. Ob alleine, im Team, als Workshop, jung, alt, mit oder ohne kreativen Hintergrund, der Happy Club bringt alle zusammen. Permanent Beta und Dauercamp oder einfach ein Club ohne Türsteher – im Happy Club dreht sich alles ums Entdecken, Experimentieren, gemeinsam Austauschen, um das Überraschen und Sich-Einlassen auf ein Tänzchen mit dem Riso.
»Die Risografie schlägt eine Brücke zwischen der analogen und digitalen Welt. Sie lockt uns aus unserer Komfortzone, drängt uns zur Zusammenarbeit und erschafft einen unbezahlbaren Wert des kreativen Austausches«, sagt Michaela Huml. Genau diesen besonderen Ort des Austauschs und der Inspiration hat sie in ihrem Cover-Motiv festgehalten. Zu sehen ist der Happy Club, aber auch viele Arbeiten anderer Künstler:innen, die dort entstanden sind. Wer sich selbst einmal am Riso-Drucker ausprobieren möchte, kann im neuen Ladengeschäft in der Münchner Au im Rahmen von Workshops kreativ werden.
Herr & Frau Rio
Laura Sirch und Sascha Wellm lernten sich im Designstudium kennen und merkten nach ihrem Abschluss, dass es nicht ganz das Richtige für sie war. Also wechselten sie die Seiten und gründeten 2015 Herr & Frau Rio. Sie starteten mit einem alten Riso in der WG, heute ist die Risografie der Mittelpunkt ihrer Arbeit und sie bieten Druckdienstleistungen an, die von einfachen Postkarten bis zu komplexen Projekten wie Hardcover-Büchern reichen. Die beiden gestalten und produzieren zudem eigene Produkte wie Wochenplaner, Notizbücher und bieten Workshops an.
»Bei unserem vierfarbigen Cover-Entwurf haben wir den Fokus auf technische Finessen gelegt«, erklären die beiden. »So war uns eine randabfallende Gestaltung wichtig, obwohl das Umschlag-Format länger als das maximale Druckformat des Risografen ist. Dafür haben wir uns eines einfachen Tricks bedient und die Bögen aus zwei unterschiedlichen Richtungen bedruckt: Für den Druck der ersten beiden Farben wurde das Papier von der Vorderkante aus eingezogen, für den zweiten Druckdurchgang von der Hinterkante. Um keine sichtbaren Nahtstellen zwischen den Motiv-Teilen zu bekommen, haben wir in der Gestaltung Verlaufskanten genutzt, die einzelnen Farbseparationen laufen also weich ineinander.
Etwas sichtbarer als die Format-Tricks ist unser Umgang mit der Rasterung. Für den Entwurf haben wir uns für eine Mischung aus unterschiedlichen AM-Rastern und FM-Rastern entschieden, teilweise auch einzelne Farbseparationen in zwei unterschiedlichen Rastern gedruckt. Da das RIP des Risografen das eigentlich nicht zulässt, wurden einzelne Bereiche des Motivs mit Hilfe unterschiedlicher Software im Vorfeld gerastert.
So entstand ein plakatives Cover, das von Weitem durch die leuchtstarken Farben ins Auge sticht und bei näherer Betrachtung viele Details zum Vorschein bringt.«
Kelli Anderson
Seit über 15 Jahren ist Kelli Anderson als selbständige Designerin tätig und sagt: »Meine Arbeit ist sehr eigenwillig und kombiniert experimentelle Ansätze aus Grafikdesign, Kunst, Technologie, Pädagogik, Forschung, Architektur und Verlagswesen. Ich glaube, dass bescheidene Materialien – wie ein Stück Papier – über ungeheure Magie verfügen. Wenn sie sich nicht so verhalten, wie man es erwartet, dann erschüttert das unseren Sinn für Realität. Genau diese emotionale Wirkung versuche ich mit meiner Arbeit zu erzielen, wenn ich Risografie in Animationen umwandele.«
Kelli Anderson nutzt risografierte Vorlagen, um daraus Animationen mit der besonderen Anmutung des Riso-Drucks zu erstellen. »Die Animation, die die Grundlage für das Cover-Motiv ist, ist eine Farbstudie. Ihre Wirkung hängt von den Farben ab, die speziell für diese Studie ausgewählt wurden.« Zum Einsatz kamen Bubble, Fluo Orange, Kelli Green, Cornflower und Black.
»Ich denke, um neue Techniken zu entwickeln und neue Möglichkeiten zu finden, die im Verborgenen liegen, muss man seine Werkzeuge missbrauchen«, sagt die Gestalterin. »Meiner Meinung nach lädt der RISO von Natur aus zum Missbrauch ein, da er als Offic-Kopierer erfunden wurde, aber niemand ihn auf diese Weise nutzt. Da Animation auf einer präzisen Ausrichtung beruht, um die Illusion von Bewegung zu erzeugen, und da passergenaues Arbeiten bei der Risografie eine große Herausforderung darstellt, war ich mir sicher, dass das Experimentieren mit Animationen auf dem RISO zu etwas Unerwartetem, Unkontrollierbarem und Coolem führen würde.«
Superkolor
Studio Superkolor sind Julian und Hendrik Klein – Brüder und Grafiker aus Münster. Seit 2019 befindet sich ihr Studio auf einem alten Bauernhof außerhalb von Münster, wo die beiden klassische Designleistungen, vom Branding bis zur Plakatkampagne, mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit anbieten. Vor gut zehn Jahren wurden sie durch eine Kleinanzeige (Kopierer zu verschenken) auf die Risografie aufmerksam. Ihre Abschlussarbeiten waren das erste, was sie auf dem Riso-Drucker realisierten, heute unterrichten sie Gestaltungsgrundlagen am Risografen an der FH Dortmund und sind fasziniert von Limitierungen und experimentellen Ansätzen dieser Drucktechnik.
Mit ihrem Motiv für das Grafikmagazin-Cover zeigen Julian und Hendrik Klein, dass auch Fotografien im Rios-Druck eine großartige Wirkung entfalten können. Die Rückseite des Covers nutzen sie, um zu zweigen, wie das Motiv gedruckt wurde. Die im Grunde genommen ganz einfache Aufteilung in CMYK – oder in diesem Fall in Aqua, Fluorescent Pink, Yellow und Black – kennt man auch aus dem Offset-Druck. In der Darstellung von Superkolor wird aber noch einmal deutlich, dass in der Risografie auch mit verschiedenen Sättigungsgraden gearbeitet wird und dieses Druckverfahren vieles vereint, was man schon kennt, aber eben auch sehr spezielle Eigenheiten besitzt, die gelegentlich starke Nerven fordern. »Verzweifeln? Nach etlichen Jahren mit den verschiedensten Risografen, Fehlersuche in Foren aus den 90ern und Nachtschichten im Testmode, versuchen wir möglichst gelassen mit den Macken des Druckers umzugehen«, sagen die Kreativen aus Münster. »Das lässt sich auch gut auf die eigene Arbeitsweise übertragen: accept and embrace imperfection.«
Das Papier
Für das Cover dieser Ausgabe setzten wir das ungestrichene Feinpapier Munken Pure Rough in 300 g/qm ein, das sich besonders gut für den Risografie-Druck eignet.
Mit bis zu 1,4-fachem Volumen, vier Weißtönen und zwei Oberflächen sowie passenden Briefumschlägen und Versandtaschen ist die Munken-Design-Range eine hervorragende Wahl für unterschiedlichste Anwendungen. Die Papiere sind zudem »Cradle to Cradle Certified Silver« zertifiziert.
Für die Fotostrecke des Grafikmagazins 05.23 nutzten wir das Papier arto gloss in 150 g/qm. Das FSC- und PEFC-zertifizierte Bilderdruckpapier bringt mit seiner glänzenden Oberfläche Farben zum Leuchten und eignet sich besonders gut für die Darstellung von Fotografien. Die Strecke »Produktion & Publishing« wurde auf dem angestrichenen Naturpapier Amber Graphic in 150 g/qm umgesetzt. Auf den übrigen Seiten begegnen Sie PrimaSet, einem gestrichenen Papier mit hohem Volumen, das durch seine matte, reflexionsarme Oberfläche für perfekte Lesbarkeit und hochwertige Bildwiedergabe mit hohem Bildkontrast sorgt.
Alle Papier stammen von Inapa
Haben wir Sie neugierig gemacht? Im Grafikmagazin 05.23 stellen wir außerdem im Schwerpunkt »Creative Printing« viele weitere spannende Druck-Projekte vor, die es sich zu entdecken lohnt. Bestellen Sie jetzt unsere besondere Risografie-Ausgabe oder die sechs Risografie-Motive als Originaldrucke im Set – so schön, man möchte sie sich am liebsten alle an die Wand hängen.