»Kreativwerkzeuge, Analog & Digital«, das klingt nicht nach einem Kurs, bei dem die Studierenden Schlange stehen. Doch was sich nach trockenem Basiswissen anhört, entpuppte sich für vierzehn Zweitsemester der Macromedia Hochschule in München als absoluter Glücksfall. Dozent Denis Widmann lud die Studierenden unter dem Motto »TimeMachine« ein, in verschiedene Stilrichtungen einzutauchen – das Resultat sind über dreißig Plakate, die sich wirklich sehen lassen können.
Natürlich ist es wichtig, die gängigen Programme zu beherrschen, doch wer ein guter Designer werden möchte, braucht noch weitaus mehr Handwerkszeug. Zum Beispiel ist es wichtig, ein Gespür für Stilrichtungen zu entwickeln und zu wissen, mit welchen Farben, Schriften und Gestaltungsmitteln man einen bestimmten Look kreieren kann. Für seinen Kurs zu Kreativwerkzeugen hatte sich Dozent Denis Widmann deshalb überlegt, unter dem Motto »TimeMachine« mit den Studierenden auf Zeitreise zu gehen und sie zu jeweils drei Stilrichtungen Plakate gestalten zu lassen.
Nach einer Einführung in die Kernprogramme der Adobe Creative Cloud folgte deshalb ein kleiner historischer Exkurs, damit die Studierenden die ökonomischen, politischen und sozialen Verhältnisse der Zeit kennenlernen und damit auch die Rahmenbedingungen für die Gestaltung besser verstehen konnten. »Wir haben uns das Plakatdesign der vergangenen 100 Jahre angeschaut und dabei sehr genau die einzelnen Gestaltungselemente analysiert«, berichtet Denis Widmann. »Anforderung an die Studierenden war dann, auf Basis eines selbstgewählten Themas, zum Beispiel einer Marke, einem Film oder eines politischen Statements, drei Plakate jeweils im Stil der 1920er, 1950er und wahlweise der 60er oder 70er/80er Jahre umzusetzen.«
Für die drei Micro-Assignments sollten die Studierenden zunächst recherchieren, was die jeweilige Stilrichtung visuell auszeichnete und Moodboards sowie analoge und digitale Skizzen erstellen. Nach einer Besprechung wurden die Entwürfe in Illustrator umgesetzt, es folgten Texturing und Ageing in Photoshop und nach dem typografischen Satz ging es schließlich in die Druckvorbereitung. »Die Studierenden mussten sich innerhalb kürzester Zeit in diverse Stile und verschiedene Briefings eindenken und lernen, unter Zeitdruck, iterativ und transparent ein stimmiges Konzept zu erarbeiten und umzusetzen«, erklärt Widmann.
Wie hätte also in den 50er-Jahren eine Kampagne für Iqos ausgesehen? Wie wäre in den Siebzigern eine Reise zum Mond beworben worden oder eine Fernsehserie 1920? Wie im Berufsleben mussten die Studierenden schnell und treffsicher Lösungen entwickeln und lernten, ihre Ideen auch schon im Entwurfsstadium unmissverständlich zu kommunizieren.
Der Kurs sollte allerdings auch analoge Kreativ-Werkzeuge vermitteln und das war in Zeiten von Corona und Fernstudium natürlich alles andere als einfach. Dank der Unterstützung von Gmund und Inapa gelang es Widmann, die Studierenden mit unterschiedlichsten Papieren bemustern zu lassen. Mit Fadenzählern bestückt sollten sie die Muster sprichwörtlich unter die Lupe nehmen, um so ein Gespür für Haptik, Material, Laufrichtung, Raster und die verschiedenen Druck- und Veredelungstechniken zu erhalten. Ein wichtiger Prozess, der dem Designnachwuchs nicht nur im Berufsleben zu Gute kommen wird, sondern auch für den Kurs selbst wichtig war, denn abschließend sollen die Entwürfe mithilfe des Druckpartners Xerox als Art Print realisiert werden.
Und weil die Studierenden so großartige Arbeit geleistet hatten und auch die Partner aus der Papier- und Druckbranche das Projekt so großzügig unterstützen, und weil Corona eh schon alles so schwierig gemacht hatte, wollte Widmann den Kurs wenigsten mit einem Paukenschlag zu Ende bringen. Eine Jury beurteilte abschließend die Arbeiten und wählte drei Preisträger für den TimeMachine Award aus, zudem gab es eine große Party in den Räumen der Makromedia, Campari auf der Dachterrasse inklusive.
Paula Tornieporth hatte die Arbeitswelt der Frau in Szene gesetzt, an sie ging der dritte Platz des TimeMachine Awards. Tom Redlbacher zeigte das Automobil im Wandel der Zeit und wurde mit dem zweiten Platz für seine großartige Arbeit bedacht, den Sieg trug schließlich Amy Prosser davon, die das Glastonbury Festival in verschiedenen Epochen dargestellt hatte.
Beim Award wurde die durchgängig hochwertige Umsetzung in allen drei Stilrichtungen bewertet und nicht alle Studierenden konnten gleichermaßen mit jedem Motiv punkten. Manche verausgabten sich bei einem Plakat, anderen lagen die Zwanziger mehr als die Siebziger, aber die Qualität der Arbeiten ist insgesamt beeindruckend und alle Kursteilnehmer können stolz auf sich sein. Schließlich, und das vergißt man leicht, ging es bei aller Inszenierung ja »nur« um einen Hochschulkurs zu analogen und digitalen Werkzeugen.
Das Beispiel TimeMachine zeigt deshalb auch, wieviel mehr Lehre sein kann, wenn sich Menschen engagieren und vermitteln, dass Gestaltung Leidenschaft bedeutet – für Geschichte, für Handwerkskunst, für Druck und Papier, für Kommunikation und für Kreativität.
Die Besucher der Abschlussveranstaltung konnten sich übrigens auch über ein schönes Give-Awary freuen, denn von den Plakatmotiven hatte Denis Widmann auch Postkarten produzieren lassen. Ein schöner Ersatz für Visitenkarten, denn so konnten sich die Studierenden direkt mit ihren Arbeiten empfehlen und das eine oder andere schöne Motiv ziert nun vielleicht Schreibtische und Wände der Gäste.
Wer selbst mit dem Gedanken spielt, Postkarten drucken zu lassen, sollte sich diese Aktion von Onlineprinters nicht entgehen lassen: Leserinnen und Leser des Grafikmagazins erhalten einen Rabatt bei ihrer Bestellung, wie’s gemacht wird, lesen Sie hier …