Die Illustrationen von Yeye Weller sind laut und bunt und hinter ihrer Fröhlichkeit verbirgt sich oft eine gute Portion Ironie. Weit über 115k Follower auf Instagram kommentieren begeistert »Awesome« oder »Looveee« und auch Marken wie Adidas, Netflix oder die New York Times haben den Illustrator längst für sich entdeckt. Im Gespräch zeigt sich allerdings ein sehr pragmatischer und reflektierter Künstler, der auf klassisches Gestaltungshandwerk baut und sich bei allem Erfolg die eigene kreative Freiheit nicht nehmen lassen möchte.
Yeye Weller, wie sind Sie zur Illustration gekommen, was begeistert Sie daran?
Gute Frage, die natürlich so einfach nicht zu beantworten ist. Man öffnet ja nicht irgendwann eine Tür und sagt: So, ab jetzt interessiere ich mich für Kunst.
Ich war auch nicht wirklich das Kind, das ständig Zuhause am Schreibtisch saß und den lieben langen Tag gezeichnet hat, aber ich glaube, eine Begeisterung für Design und eine Wertschätzung für Ästhethik gabs bei mir schon immer. Angefangen hat es als kleiner Junge mit der Faszination und der Sammlung von Bierdeckeln, später sammelte ich dann fleißig die Sticker von Skateboard-Firmen. Und mit 14 gründeten wir unsere erste eigene »Skatefirma« und verkauften in unserer Kleinstadt selbstgedruckte Shirts an unsere Freunde und Schulkollegen. Auch wenn ich zu diesem Zeitpunkt wenig illustrativ gezeichnet und eher klassisches Grafikdesign gemacht habe, war diese Phase quasi der Grundstein für die spätere Entwicklung, denn kurz darauf bekam ich von einem Schulfreund eine gecrackte Version von Adobe Photoshop und die Dinge nahmen ihren Lauf.
Wie arbeiten Sie?
Bei der Umsetzung verfolge ich eigentlich den immer gleichen Ablauf. Zunächst einmal komme ich in mein Arbeitszimmer und mache die Musik an. Dann starte ich eigentlich ganz klassisch mit Papier und Bleistift und erstelle ein paar grobe Skizzen, um schließlich Schritt für Schritt ein konkretes Layout mit dem Bleistift zu entwickeln.
Anschließend einscannen und mit Hilfe von einem Grafik-Tablet und Photoshop sauber nachzeichnen. Hierbei verzichte ich bewusst auf mögliche Effekte und digitalen Schnickschnack: eine, immer gleiche Pinselspitze, schwarze Outlines, 3-4 verschiedene Farben und seit über 10 Jahren das gleiche Grafik-Tablet und den gleichen »ollen« Scanner.
So gern ich im kreativen Prozess Sachen ausprobiere und mich weiterentwickle, arbeite ich bei allen handwerklichen Vorgängen fast ausschließlich mit Techniken und Geräten, die sich über Jahre bewährt haben und mit denen ich vertraut bin.
Ihre Arbeiten sind bunt, flächig und auf etwas verschrobene Art retro. Wie entwickeln Sie ihre Bildideen?
Ich liebe die Designs von alten Streichholzschachteln oder das Layout von klassischen Bieretiketten. Gestaltungen aus einer Zeit, wo noch nicht jeder mit Photoshop auf dem Rechner auch gleich ein Designer war und wo man sich nicht zwei Schriftarten runtergeladen hat, um an einem Vormittag eine Verpackung für eine Handseife zu designen. Ich mag es, wenn man merkt, dass Schrift, Gestaltung und Illustration die gleiche Handschrift sprechen und genau das versuche ich in meinen Illustrationen zu beherzigen. Natürlich kann man das als »retro« bezeichnen, ich würde aber den Begriff »klassisch« bevorzugen, denn ich glaube, dass gute Designs nie wirklich aus der Mode kommen. Deshalb versuche ich auch, das »Klassische« in einer neuen Formsprache weiterleben zu lassen und verbinde Layouts und Cartoon-Figuren, die man eigentlich aus der Mitte des letzten Jahrhunderts kennt, mit modernen Mustern, Farben oder Bildideen zu einem harmonischen Gesamtbild.
Ihre Character wirken kindlich und nett, wie kommt der Sarkasmus ins Spiel?
Der Sarkasmus war eigentlich nur Mittel zum Zweck und ziemlich aus der Not geboren. Ich habe mich wirklich lange Zeit dagegen gewehrt, auf Englisch zu arbeiten und Hashtags zu nutzen. Ich hätte dies auch gerne bis heute durchgezogen, jedoch würde ich dann vermutlich immer noch meine illustrierten DIY-Heftchen zum Selbstkostenpreis verticken, Dosenravioli essen und hätte lediglich eine Jeans im Schrank. Solange man jung ist, ist dies auch durchaus ein charmanter Lebensentwurf, aber irgendwie macht man Kunst dann doch nicht nur für sich selbst, egal wie »underground« man sich fühlt.
Erfolg und Bestätigung sind am Ende doch die schöneren Gefühle. Also blieb mir nichts anderes übrig, wenn man von der welt wahrgenommen werden wollte, als auf die englische Sprache umzusatteln und Hashtags zu nutzen. Jedoch fühlte sich die neue Herangehensweise für mich zunächst sehr fremd an und auch wenn Sarkasmus und Ironie schon immer Teil meiner Arbeit waren, habe ich dieses Stilmittel zunächst nur genutzt um die anfängliche Unsicherheit zu verdrängen. Mit der Zeit hat sich daraus aber eine Bildsprache entwickelt, die gerade in der Wort-Bildkombination nicht immer eindeutig ist und vielleicht gerade deshalb für mich so interessant.
Was inspiriert Sie?
Inspiration ist natürlich ein sehr dehnbarer Begriff. Ich persönlich halte Antworten wie mich inspiriert das Leben, die Natur oder dieser eine Bob Dylan Song für Quatsch. Natürlich sind das alles schöne Dinge, aber das Einzige, was wirklich maßgebliche Auswirkungen auf meine Illustrationen hatte sind die Arbeiten anderer Künstler oder Designer.
Als Kind war ich z.B. grosser Fan des Beatles-Animationfilms »Yellow Submarine«. Ich habe den Film bestimmt 50 mal gesehen, doch war ich immer wieder aufs Neue begeistert und bis heute liebe ich die Farben, die Figuren und besonders die Bildsprache von Heinz Edelmann. Durch solche »Vorbilder« entwickelt man über die Jahre eine persönliche Ästhetik und bedient sich (daraufhin) ständig an verschiedenen Fragmenten anderer Illustrationen, um letztendlich seinen eigenen Stil zu finden.
Sie verkaufen Ihre Arbeiten als Buch- und Siebdruck, vertreiben Pins, Karten und Schlüsselanhänger, illustrieren aber auch für Kunden wie Adidas, Netflix, Mc Donalds oder den WWF. Ihr Stil ist ja sehr markant, bekommt jeder Kunde einfach immer Yeye Weller oder wie sehr passen Sie sich Kundenwünschen an?
Ja, eigentlich bekommt der Kunde immer Yeye Weller. Prinzipiell habe ich von Anfang an versucht, nur Sachen anzunehmen, für die ich mich nicht künstlerisch »verbiegen« muss. Das klingt aus heutiger Sicht natürlich alles hoch anständig und selbstbewusst, die bittere Wahrheit ist aber auch, dass ich die ersten 3 Jahre nach dem Studium Hartz 4 vom Jobcenter bezogen habe und mich mehrmals nachträglich darüber ärgerte, lukrative Jobs aus künstlerischen Gründen oder Eitelkeit abgesagt zu haben. Trotzdem glaube ich mehr denn je, dass genau diese Phase mir eine stilistisch und inhaltliche Sicherheit gegeben hat, die ich sonst vielleicht nie gefunden hätte. Weil ich mich eben nicht ständig anpassen musste um ’ne schnelle Mark zu machen oder dem Kunden zu gefallen, konnte ich mir die Zeit nehmen, um täglich an dem zu arbeiten, was mich wirklich erfüllt.
Wie sehr ist man als Illustrator Künstler und wie sehr Dienstleister?
Leider ist von meinem idealistischem Ansatz nicht mehr viel übrig geblieben. So traurig wie es klingt, aber ich fühle mich mittlerweile zu 80% als Dienstleister und zu 20% als Künstler und um ehrlich zu sein, überwiegt in meinem Berufsalltag meist der Stress und weniger die Freude. Natürlich ist das Meckern auf hohem Niveau und man sollte sich immer daran erinnern, was für einen wunderbaren Beruf man hat. Wenn Jimmy Kimmel morgens aufsteht und mal wieder keinen Bock auf seinen Job hat, stellt er sich vor, er wäre ein siebenjähriger Junge und hätte im Preisausschreiben gewonnen, für einen Tag Jimmy Kimmel zu sein. Mir gefällt diese Vorstellung und auch wenn ich nicht Jimmy Kimmel bin, hilft sie enorm dabei, meine Position realistisch einzuordnen.
Denn natürlich ist es extrem schmeichelhaft für Netflix oder Adidas zu arbeiten und ich erinnere mich immer wieder gerne daran, wie die erste Anfrage der New York Times in meinem Mail-Postfach lag. Ein Moment purer Glückseligkeit. Aber gleichzeitig sollte jedem klar sein, je grösser der Kunde und je kommerzieller der Auftrag, desto mehr Leute wollen etwas zu sagen haben und erwarten eine Umsetzung nach ihren Vorstellungen und mit jeder weiteren Korrekturschleife verkümmert die künstlerische Freiheit zusehends. Deshalb ist es auch weiterhin wichtig, die Frechheit zu besitzen, lukrative Angebote auszuschlagen und sich regelmäßig Auszeiten für eigene Projekte zu nehmen. Zurück zu den Wurzeln und wieder das machen, was einem Spass macht.
Auf den ersten Blick erscheinen viele Ihrer Arbeiten eher unterkomplex. Ist es wie im Zirkus, wenn der dumme August tölpelhaft hinfällt und ausrutscht und keiner merkt, dass da eigentlich eine Menge Akrobatik und Körperbeherrschung dahintersteckt? Sprich wie groß ist die Kunst, nur mit lustigen Augen, Schuhen, Händen und ein bisschen Typo die Menschen immer wieder zu berühren?
Ich kann wahrlich nicht behaupten, dass hinter meinen Illustrationen eine große Planung steckt. Ich vertraue da eigentlich immer meinem Bauchgefühl und ehrlich gesagt kommen die besten Ideen meistens völlig spontan. Aber vielleicht ist Ihr Vergleich deshalb sehr passend, dass man gerade durch das jahrelange Tun eine Sicherheit erlangt, die genau diese Sponanität und Leichtigkeit erst zulässt. Hab ich bisher noch nie drüber nachgedacht, aber das gefällt mir.
Gibt es Zeiten, in denen Sie pausbäckige, lachende Männchen mit großen Augen nicht mehr sehen können?
Das wäre wirklich traurig, wenn dieser Umstand irgendwann eintreten sollte. Natürlich gibt es Momente, da kann man manche Projekte nicht mehr sehen, aber eigentlich komme ich jeden Morgen sehr gerne in mein Arbeitszimmer. Auch wenn der Arbeitsprozess an sich manchmal anstrengend ist und viel Konzentration erfordert. Allein für den Moment der Fertigstellung und das befriedigende Gefühl eines stimmigen Resultats, liebe ich meinen Beruf.
Es gibt allerdings fast täglich den Moment, dass ich im Internet über die wunderbaren Arbeiten verschiedener Illustratoren dieser Welt stolpere und mir denke, warum mache ich nicht so geilen Scheiss? Helmut Dietl hat mal gesagt, dass er als Regisseur so gut wie nie mehr ins Kino gegangen ist. Es hat ihn deprimiert, entweder weil die Filme so schlecht waren oder weil sie so gut waren, aber nicht von ihm. Ganz so schlimm ist es bei mir nicht. Ich schaue mir sehr gerne Arbeiten anderer Illustratoren an, ohne einen Anflug von Neid, aber ehrlich gesagt man fühlt sich danach schon sehr häufig »so klein mit Hut«.
Derzeit haben wir ja alle nicht so viel zu lachen, worauf freuen Sie sich trotzdem?Beruflich muss ich sagen, freut man sich eigentlich immer darauf fertig zu werden und ein neues Projekt anzufangen. Da stehen demnächst auch einige tolle Projekte für unseren Shop an, auf die ich schon richtig Bock habe.
Einen Beitrag zu Yeye Wellers Arbeiten finden Sie auch im Grafikmagazin 01.22. Diese Ausgabe hat den Schwerpunkt »Illustration« und auf 20 Seiten gibt es viele weitere spannende Zeichner und Künstlerinnen zu entdecken. Das Interview führe Christine Moosmann.
Weitere Illustrationsthemen finden Sie hier …