Man kann die Aktion ohne Übertreibung Guerilla-Marketing nennen: Mit einer sehr ungewöhnlichen Präsentationsform feierte der Schweizer Taschenhersteller Freitag seinen 30. Geburtstag und kopierte mit einem Augenzwinkern eine Supermarktkette, die es mit dem Markenschutz nicht immer so genau nahm.
Der Container-Turm an der Hardbrücke, in dem sich der mehrstöckige Freitag Flagship Store befindet, dürfte Zürich-Kenner:innen gut bekannt sein. Am 18. September fand in der markanten Location die Geburtstagsfeier des Taschen-Labels Freitag statt und viele Gäste schwankten zunächst zwischen déjà-vu und dem Gefühl, im falschen Film zu sein. Schon von weitem leuchtete einem nämlich nicht das wohlbekannte schwarzweiße Logo entgegen, sondern ein seltsam vertrauter, orangefarbener Schriftzug. Auch der Laden präsentierte sich völlig anders, es gab Blumen und Gemüse zu kaufen und die bekannten Taschen aus recycelten LKW-Planen wurden mit Aktions-Rabatten beworben.
Nach der Eröffnung des Supermarktes durch die Filialleiterin Frau Mosimann, klärten Daniel und Markus Freitag, die Gründer des Unternehmens, die Besucher:innen auf, was es mit der Persiflage auf sich hatte. Ende der Neunziger war Freitag zwar noch klein und ein Newcomer, doch die ungewöhnlichen Taschen der Freitag-Brüder hatten bereits eine ordentliche Fan-Gemeinde und galten als sehr cool. Weniger cool war hingegen eine Aktion der Schweizer Supermarktkette Migros. Sie brachte eine blaue Messenger-Bag heraus, die dem Freitag-Modell verblüffend ähnelte und als wäre das nicht schon dreist genug, nannte sie die Tasche auch noch Donnerstag. Freitag hatte seine Taschen nicht schützen lassen, teils aus Unerfahrenheit, teils weil die Brüder der Meinung waren, dass eine gute, nachhaltige Idee durchaus andere inspirieren sollte. Aber zwischen Inspiration und Kopie liegt nichtsdestotrotz ein Unterschied. Juristisch war nicht viel zu machen, doch in der Öffentlichkeit wurde die Aktion als ziemlich dreistes Plagiat gewertet und die Migros stand nicht gut da.
Daniel und Markus Freitag verlangten von der Supermarktkette, das sie nie wieder eine Tasche mit dem Namen Donnerstag herausbringen sollte, daran hat sich die Migros bis heute gehalten. Zum 30-jährigen Jubiläum lancierte Freitag nun aber selbst eine Donnerstag-Tasche, sie sieht aus wie das Original und ist es natürlich auch, doch trägt sie das Label Donnerstag. Die Jubiläumstaschen sind auf 400 Stück limitiert und noch bis zum 30. September im Taschen-Shop erhältlich.
99% der Erlöse fließen der 1%-Stiftung zu, mit der die Migros Kulturprojekte unterstützt. Ein weiterer kleiner Seitenhieb in Richtung Supermarktkette, vielleicht aber auch eine kleine Wiedergutmachung für den Diebstahl, den Freitag begangen hat, denn auch der vermeintliche Underdog hat in dieser Geschichte keine ganz reine Weste. »Als ich von dem Plagiat erfuhr«, erzählt Markus Freitag bei der Eröffnung, »ging ich in die nächste Migros-Filiale und entdeckte da tatsächlich die Taschen. Ein Freund, der noch im Jurastudium war, hatte uns geraten, Beweise sicherzustellen, aber ich wollte niemandem 49,- Franken bezahlen, der uns gerade beklaut hatte.« Also klaute er zwei der Fake-Taschen, was in den Medien dann auch prompt genüsslich breitgetreten wurde.
Auf die Frage, ob die Migros sie wegen des Ladens und des dreisten Branding-Klaus schon abgemahnt habe, lacht Markus Freitag. Nein, sie hätten die Verantwortlichen kurz vor der Präsentation beim Lunch informiert und ihnen den Laden gezeigt. Nach dem ersten Schreck habe die Migros Sportsgeist bewiesen und prompt den Social-Media-Leiter vorbeigeschickt, um eine Story daraus zu machen.
Mit 250 Mitarbeitenden und Läden auf der der ganzen Welt hat sich Freitag längst vom Start-up zu einer ernst zu nehmenden Größe entwickelt. Vor allem in Sachen Nachhaltigkeit und Innovationen ist das Zürcher Unternehmen enorm engagiert. 2023 schickt Freitag beispielsweise seinen ersten vollständig rezyklierbaren Rucksack in Produktion, der unter dem Namen Mono[PA6] ab Frühling 2024 erhältlich sein wird und die F-Crew arbeitet konsequent daran, ihre Produktion in einen zirkulären Kreislauf zu überführen. Mit den Donnerstag-Wochen haben die Gründer und das Team nun gezeigt, was Freitag auch nach 30 Jahren noch bewegt: Dinge einfach anzupacken und mit Spass und in der Gemeinschaft etwas zu verändern.