Die Staatsgalerie Stuttgart – sonst Heimat alter Meister – verwandelte sich am 20. Oktober in einen lebendigen Begegnungsort für mehr als 600 Kreative aus aller Welt. Die ADC Design Conference 2025 stellte die wohl drängendste Frage unserer Branche ins Zentrum: Wie verändert Künstliche Intelligenz unsere Arbeit, und was bleibt unersetzbar menschlich?


»Sei nett zur Maschine, sie lernt noch«
Die inhaltliche Dramaturgie des Tages spannte den Bogen von technologischer Neugier bis zu analoger Rückbesinnung. Liza Enebeis von Studio Dumbar/DEPT schien den Tag mit einem leidenschaftlichen Plädoyer für kreative Verantwortung zu untermauern: KI sei ein Werkzeug, »das wir erst verstehen lernen müssen«, wie sie mit einem Augenzwinkern in ihrer Keynote »For the love of sound and motion« betonte. Zu Projekten ihrer Agentur zählen etwa die visuelle Identität für das van Gogh Museum sowie das Podcast-Projekt Typeradio.org, zusätzlich engagiert sie sich in internationalen Designnetzwerken wie der Alliance Graphique Internationale. Diese Kombination aus Branchenkenntnis und großer Liebe zu einer gestalterischen Bandbreite von strategischem Branding bis Motion Design macht sie zu einer Idealfigur für den Vortrag über KI & Gestaltung – sie verbindet technologischen Ansatz mit dem klassischen Gestalterblick. Ihre Haltung prägte den Grundton der Konferenz: Optimismus statt Angst, Experiment statt Abwehr.
Marina Willer, Partnerin bei Pentagram London, brachte eine tiefere Dimension ins Spiel und plädierte unter dem Titel »More human than ever« fürs Spielen, Experimentieren, das Händische und Kindliche. Als Gestalterin ikonischer Identitäten wie für Tate Modern, Amnesty International, Oxfam oder Rolls-Royce erinnerte sie daran, dass »die Zukunft des Designs stark vom menschlichen Gespür für Kreativität und Vorstellungskraft abhängt – gerade, um KI sinnvoll einzusetzen.« Zudem betonte sie, mit Referenz zu ihrer brasilianischen Herkunft und ihren daraus resultierenden kreativen Ressourcen, sich auf seine einzigartige Perspektive auf die Welt zu verlassen.


Das Herz schlägt noch
Beinahe emotional war die Keynote »Serious Fun.« des Schweizer Gestalters Niklaus Troxler, der als Jazz-Plakatkünstler und Tape-Art-Pionier längst Designgeschichte geschrieben hat; er hatte Typografie/Grafik an der Schule für Gestaltung Luzern studiert, war Art Director in Paris und gründete dann 1973 eine eigene Grafik-Werkstatt in Willisau. Sein Hintergrund im analogen, typografischen Handwerk und seine jahrzehntelange Praxis im Gestalten von grafischen Statements sorgten für eine starke Verbindung zur Debatte um das Unersetzbare, Menschliche im Design: Sein Appell, »auf das Herz zu hören und aus dem Bauch zu arbeiten«, wirkte wie ein poetischer Gegenentwurf zur datengetriebenen Diskussion – und gleichzeitig wie deren notwendige Ergänzung.
Auch Prof. Jochen Rädeker, ehemaliger ADC-Vorstand und Mitgründer von Strichpunkt Design, brachte die Haltung des Tages schon eingangs auf eine treffende Formel: »Wir müssen nicht gegen die KI spielen, sondern mit ihr. Wir sind nicht ihr Gegner, sondern Schiedsrichter.«

Design als »visible strategy«
Um die Frage nach strategischem Design ging es im Panel »Design als Strategie – Zwischen Revolution und radikaler Transformation«, das von unserer stellvertretenden Chefredakteurin moderiert wurde. Corinna Asmus, die bei Beiersdorf die Markenentwicklung von Nivea verantwortet, gewährte Einblicke in die Evolution eines Designklassikers. Die Beratung von Arne Schultchen, Design for Human Nature, versteht Gestaltung als Brücke zwischen Business und Impact – als Katalysator für Veränderung, nicht als deren Dekoration. Und wie sich diese Haltung im Unternehmensalltag durchsetzt, illustrierte Head of Strategy Lisa Krick mit Beispielen aus ihrer Arbeit bei der Markenberatung MetaDesign, die Design als »visible strategy« definierte.
Zwischen den drei Positionen entspann sich schließlich ein aufschlussreiches Gespräch: Wie oft folgt man der Analyse, und wann entscheidet das Bauchgefühl? Während bei manchen Kunden Daten und Konsumentenforschung essenziell für die interne Überzeugungsarbeit sind, betonte etwa Krick, dass wahre Innovation häufig dort beginne, »wo man den Intent konsequent priorisiert.« Das Fazit der Runde: Designer:innen und Strateg:innen brauchen einander für Vision und Reflektion gestalterischer Projekte, erst gemeinsam können sie sinnvoll wirtschaftliche Faktoren, Empathie und Vision verbinden – und sich in der Sprache der Vorstände ebenso sicher bewegen wie in der der Nutzer:innen.



Handwerk trifft Hightech
Überraschend aktuell auf beiden Bühnen: die Renaissance des Handwerks. Tilla Goldberg von der Ippolito Fleitz Group formulierte es so: »So sehr sich die Welt gerade verändert, umso mehr brauchen wir reale Räume und Produkte, die faszinierende Möglichkeitsräume gestalten.« Das Business-Panel mit Walter Knoll und Gaggenau unterstrich wiederum: Handwerk ist kein Gegenpol zur Digitalisierung, sondern kulturelles Kapital.
Und Ina Yamaguchi und Julian Zimmermann von der Stuttgarter Agentur Deutsche & Japaner sprachen ein Problem an, das viele kennen: Bei der heutigen Fülle an Inspiration fällt es schwer, die eigene Lösung zu finden statt fremde zu adaptieren. Lucas Hesse bleibt sich dagegen konsequent treu: »Statt das große Feuerwerk zu zünden, simple Bewegungen auf interessante Art kombinieren.«



Stuttgart als kreativer Hotspot
»Mit der ADC Design Conference haben wir Stuttgart als lebendigen Hotspot für internationale Kreativität etabliert«, resümierte Patrick Amor vom ADC Vorstand. Die Mischung aus internationalen Größen mit lokalen Talenten – die drei Gewinner:innen des »42 x 30 Design Wettbewerbs« wurden vor Ort gekürt – machte die besondere Atmosphäre aus. Die ADC Design Conference 2025 hat gezeigt: Die Designbranche steht nicht vor einem Entweder-oder. Es geht um das Sowohl-als-auch von menschlicher Intuition und maschineller Präzision, von Tradition und Innovation, von Herz und Algorithmus.

Die ADC Design Conference wird im Herbst wieder stattfinden, aktuelle Events finden sich hier, sowie auch der Nachbericht zur diesjährigen Konferenz.
Das Grafikmagazin ist als Medienpartner auch bei der ADC Digital Conference in Düsseldorf dabei, hier Tickets für den 10. November 2025 reservieren.





