Gestaltung ist politisch. Diese Erkenntnis ist nicht neu, aber sie war selten so dringlich wie heute. Die Social Design Days 2025 in Nürnberg zeigen, wie Design zum Motor gesellschaftlichen Wandels werden kann, in einer Zeit multipler Krisen – von Klimawandel über soziale Ungleichheit bis zu demokratischen Herausforderungen. Gemeinsam stellt man sich den Fragen: Wie kann Design mehr sein als die Verschönerung von Oberflächen? Wie wird es zum Werkzeug für gesellschaftliche Transformation?
Vom 22. bis 24. Oktober versammelt das dreitägige Festival Gestalter:innen, Unternehmer:innen und Expert:innen unter dem Motto »Soziale Innovationen gestalten: für alle – mit allen« um hierauf konkrete Antworten zu formulieren. Während der Design Jam am 22. und 23. Oktober bereits restlos ausgebucht ist – hier werden im interaktiven Workshop konkrete Lösungen für den demografischen Wandel entwickelt –, sind für den Vortragstag am 24. Oktober noch Plätze verfügbar – der Eintritt ist übrigens frei.
Unter dem Motto »Soziale Innovationen gestalten: für alle – mit allen« werden die Speaker:innen zeigen: Design kann Gemeinschaft stärken, Teilhabe ermöglichen und neue Formen des Zusammenlebens schaffen. Und da geht es nicht um Theorien, sondern um erprobte Praxis. Um Projekte, die funktionieren. Um Menschen, die beweisen, dass partizipative Ansätze nicht nur ethisch richtig, sondern auch erfolgreich sind.
Einige von ihnen stellen wir hier vor, den gesamten Artikel finden Sie hier auf der Website von bayern design. Das Grafikmagazin ist als Medienpartner vor Ort.

Barbara Lersch – Design als Hebel für gesellschaftlichen Wandel
»Ich gestalte mit bei den Social Design Days, weil es heute wichtiger denn je ist, gemeinsam darüber nachzudenken, wie Gestaltung als Hebel für gesellschaftlichen Wandel wirken kann«, sagt Barbara Lersch, Chief Programme Officer der World Design Capital Frankfurt RheinMain 2026, Grafikmagazin-Leser:innen kennen sie sicher noch aus unserer Ausgabe 03.25 »Festivals & Events«. Sie wird die Veranstaltung mit ihrer Keynote eröffnen – und bringt damit eine internationale Perspektive auf ein lokales Event. Das World Design Capital Programm, das die World Design Organization alle zwei Jahre an Städte vergibt, würdigt den effektiven Einsatz von Design zur Förderung wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und ökologischer Entwicklung. Für 2026 fiel die Wahl auf die Region Frankfurt RheinMain – unter dem Motto »Design for Democracy. Atmospheres for a better life«. Lersch kuratiert ein ganzjähriges Programm, das zeigt, was Design konkret bewirken kann. Was sie an Gestaltungsprozessen schätzt: »Sie ermöglichen Teilhabe, lassen verschiedene Perspektiven zu und tragen somit Sorge für nachhaltige Lösungen, sind bestenfalls ergebnisoffen und somit flexibel, um auf kurzfristige Herausforderungen zu reagieren. Soziale Innovation und Gestaltung ist somit ein ›perfect match‹.«

V.l.n.r.: Christina Sweeney (Kommunikation), Matthias Wagner K (Gesellschafter), Kai Rosenstein (Direktion Inszenierung) und Barbara Lersch (Direktion Programm), Foto © Ben Kuhlmann
Auf die Social Design Days freut sie sich besonders: »Die Social Design Days in Nürnberg haben sich als wichtige Plattform für Social Design in Deutschland etabliert. Ich freue mich auf den fachlichen Austausch, das Wiedersehen mit engagierten Akteur:innen und spannenden Projekten. Gerade für ein Feld wie Social Design, das noch mehr Sichtbarkeit, Diskurs und konzeptionelle Schärfung braucht, sind solche Veranstaltungen von besonderer Bedeutung.«
Katja Meinecke-Meurer – Wenn Wissen alle erreichen soll
»Gestaltung macht einen Unterschied, wenn sie Menschen mitdenkt, die sonst leicht übersehen werden.« Katja Meinecke-Meurer, Geschäftsführerin des Tessloff Verlags, spricht aus, was Social Design im Kern bedeutet: die bewusste Entscheidung, niemanden zurückzulassen. Was bedeutet das konkret? »Für uns bedeutet das, Kindern den Zugang zu ermöglichen – zu Themen, die relevant sind, zu Sprache, die sie erreicht, und zu einer Welt, an der sie aktiv teilhaben können. Gute Gestaltung eröffnet Spielräume und macht Mut, sich selbst als Teil der Gesellschaft zu erleben.« Die Herausforderungen sind vielfältig: Wie erklärt man Klimawandel, ohne zu moralisieren? Wie macht man Vielfalt sichtbar, ohne zu kategorisieren? Wie schafft man Bücher, die nicht nur bildungsbürgerliche Haushalte erreichen?
»Als Kindersachbuchverlag machen wir Kinder stark für die Zukunft, fördern ihre Neugier und helfen ihnen, ihre Welt zu verstehen. Was uns antreibt: Inhalte und Formate auf Kinderaugenhöhe, die nicht nur Wissen vermitteln, sondern Charaktere stärken.« Der Verlag arbeitet heute mit wissenschaftsbasierten Analysemodellen zur Messung der Klimawirkung und hat eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt.

Auf die Social Design Days freut sie sich »auf den Austausch mit Menschen, die die Zukunft kooperativ gestalten wollen – denn nur so wird es funktionieren.« Ihre These: Echte Teilhabe beginnt mit dem Zugang zu Wissen – und der muss für alle gelten, besonders für die Jüngsten.
Benedikt Buchmüller – Architektur als Einladung
Ein Raum ist nie neutral. Diese Erkenntnis hat Benedikt Buchmüller zum Fundament seiner architektonischen Praxis gemacht. Als Architekt bei der Initiative »Halle für alle« verwandelt er die Frage »Wem gehört die Stadt?« in konkrete bauliche Antworten. »Halle für alle« ist mehr als ein Bauprojekt – es ist ein gesellschaftliches Experiment. In einer Zeit, in der öffentliche Räume immer stärker kommerzialisiert werden, schafft Buchmüller Orte, die bewusst allen gehören. Sein Ansatz ist radikal partizipativ: Statt über Menschen zu planen, plant er mit ihnen. Seine Bauprozesse werden zu Demokratie-Workshops.

Seine Erfahrung spricht eine klare Sprache: »Persönlich habe ich in vielen Projekten die Erfahrung gemacht, dass gemeinschaftlich gestaltete partizipative Projektideen besser angenommen werden und mehr Beteiligung stattfindet als bei top down Ideen.« Doch dieser Ansatz fordert auch die Gestalter:innen selbst heraus: »Beruflich konnte ich da aber auch immer wieder feststellen, dass man als beruflicher Gestalter auch mal loslassen muss und Gruppenakteuren Freiräume einräumen muss.«
Buchmüller entwickelt Formate, die Sprachbarrieren überwinden, ökonomische Unterschiede ausgleichen und verschiedene Formen des Wissens – vom Expertenwissen bis zur Alltagserfahrung – gleichberechtigt einbeziehen. Auf die Social Design Days freut er sich »auf den fachlichen und interdisziplinären Austausch mit Kulturdesignschaffenden« – denn partizipative Ansätze leben vom Austausch über Disziplingrenzen hinweg.
Johannes Ehrnsperger – Pionier der partizipativen Ökonomie
Seit über drei Jahrzehnten beweist Johannes Ehrnsperger eine These, die lange als naiv galt: Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit sind nicht nur vereinbar – sie verstärken sich gegenseitig. Als Mitglied der Geschäftsleitung der Neumarkter Lammsbräu hat er das oberpfälzische Familienunternehmen zu einem der innovativsten nachhaltigen Betriebe Deutschlands gemacht sowie zu einem Experimentierfeld für partizipative Wirtschaft: Ein Unternehmen, das seine Stakeholder – von Landwirt:innen über Mitarbeiter:innen bis zu Kund:innen – systematisch in Entscheidungsprozesse einbezieht. Das Ergebnis ist ein Geschäftsmodell, das sozialen und ökologischen Impact nicht als Kostenfaktor betrachtet, sondern als Innovationstreiber.

Was bedeutet soziale Innovation konkret? Für Ehrnsperger ist die Antwort in den Unternehmenswerten verankert: »›Fürsorglich‹, als einer unserer Unternehmenswerte, ist bei uns für soziale Innovation besonders handlungsleitend. So übernehmen wir auf immer wieder neue Weise Verantwortung für Mensch und Natur.« Dieser Ansatz ist nicht statisch, sondern lebendig – er fordert das Unternehmen heraus, kontinuierlich neue Wege zu finden. »Ich freue mich am meisten auf die Inspiration, wie viele Facetten von Gestalten in einem sozial-nachhaltigen Sinn es geben kann«, sagt Ehrnsperger über die Social Design Days.
Nick Potter – Design als kollektive Intelligenz
Was passiert, wenn Design nicht mehr die Antwort auf eine Frage ist, sondern die Methode, um bessere Fragen zu stellen? Nick Potter, Mitgründer des studio formagora, verkörpert einen experimentellen Ansatz, der Design als kollektives Forschungstool begreift. Für ihn ist Design keine individuelle Kreativleistung, sondern eine Form der gemeinsamen Wissensproduktion.
Das interdisziplinäre Studio erforscht an der Schnittstelle von Design, Wissenschaft und Gesellschaft neue Formen der Zusammenarbeit. Potters These: Die komplexen Herausforderungen unserer Zeit lassen sich nicht von einzelnen Expert:innen lösen. Sie erfordern neue Formen der kollektiven Intelligenz, in denen unterschiedliche Wissensformen und Perspektiven produktiv zusammenkommen.

Dabei nimmt Potter bewusst eine Gegenposition zum gängigen Innovationsdiskurs ein: »Persönlich und beruflich versuche ich eine kritische Haltung zum Thema ›Innovation‹ einzunehmen. Ich denke, dass viele Herausforderungen und Probleme unserer Zeit nicht mit einem ›Mehr‹, nicht mit dem Modus des Neuen, nicht mit Marktmechanismen zu lösen sind. Wir suchen viel nach Lösungen in dem Bestehenden, in dem Vergangenen und in einem ›Weniger‹.« Für studio formagora wird Design zum Medium der Verständigung – durch Prototyping, Visualisierung und experimentelle Ansätze entstehen neue Möglichkeiten des gemeinsamen Denkens und Handelns.
Eli Perzlmaier und Marta Bielik – Geschichten, die verbinden
Social Design findet nicht nur in Produkten, Räumen oder digitalen Interfaces statt – sondern auch in der Art, wie wir miteinander sprechen. Mit Eli Perzlmaier und Marta Bielik moderieren zwei Frauen die Social Design Days, die selbst verkörpern, worum es geht: die bewusste Gestaltung von Begegnungen, die Menschen stärken und neue Möglichkeiten eröffnen.
»Unsere Welt braucht gerade Kreativität, Ideen und Offenheit für neue Perspektiven.« Eli Perzlmaier weiß, wovon sie spricht. Seit fast drei Jahrzehnten entwickelt sie als Geschichtenerzählerin, Story Coach und Markenberaterin Narratives, die Menschen bewegen und verbinden. Doch ihre eigentliche Expertise liegt in etwas anderem: Sie erschafft Räume, in denen Transformation möglich wird.
Vor zehn Jahren gründete Perzlmaier eine internationale Community für Frauen – nicht als Netzwerk im klassischen Sinne, sondern als Labor für kollektive Veränderung. Seit elf Jahren engagiert sie sich bei TEDx München und hat dabei erfahren, wie kraftvoll es ist, wenn Menschen ihre Visionen nicht nur entwickeln, sondern auch sichtbar machen.
»Ich freue mich auf die besondere Energie, die entsteht, wenn Menschen sich zusammentun, um gemeinsam zu überlegen, wie unsere Zukunft menschlicher und lebenswerter wird«, beschreibt sie ihre Motivation. Perzlmaier ist nicht nur Moderatorin – sie verkörpert das Grundprinzip der Veranstaltung. Als Story Coach versteht sie, dass jede Geschichte das Potenzial hat, Perspektiven zu verändern und Handlungen auszulösen.
»Wenn wir Räume schaffen, in denen Menschen sich gesehen fühlen, verändern wir die Welt Stück für Stück.« Marta Bieliks Geschichte ist eine von Brücken: Von Warschau nach Landshut, von einer Flüchtlingsunterkunft zu internationalen Projekten in Beirut, von persönlicher Erfahrung zu professioneller Expertise. In ihrer Rolle bei den Social Design Days bringt sie genau diese Sensibilität in die Co-Moderation: Sie sorgt dafür, dass nicht nur gesprochen wird, sondern gehört wird. Dass nicht nur analysiert wird, sondern echt begegnet wird. Gemeinsam mit Eli Perzlmaier gestaltet sie Dialogräume, in denen unterschiedliche Stimmen produktiv aufeinandertreffen.

Social Design Days 2025
24. Oktober 2025, 10:00–17:00 Uhr
IHK Nürnberg für Mittelfranken, Hauptmarkt 25/27, 90403 Nürnberg
Kostenfreie Anmeldung unter: eventbrite.de
Die Social Design Days Nürnberg werden von der IHK Nürnberg für Mittelfranken gefördert und unterstützt. Medienpartner sind CURT und Grafikmagazin.
Partner: WDC 2026, UrbanLab, Senioren Amt Stadt Nürnberg – Seniorentreff Bleiweiß, Social Entrepreneurship Akademie, Anders Gründen
Hier gehts zum ganzen Artikel mit allen Talk-Speaker:innen.
Alle Infos zum Design Jam.
Das gesamte Programm der Social Design Days 2025.
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